Mailin wird schnell sehr rot im Gesicht. Früher hat sie sehr darunter gelitten. Alexander Gerlach von der Uni Köln forscht zum Erröten und erklärt, was beim Rotwerden in Körper und Psyche vor sich geht.
Ob einkaufen oder vor der Klasse sprechen, am Ende war es Mailin sogar unangenehm, mit guten Freund*innen und Familienmitgliedern zu sprechen, denn Mailin wurde als Jugendliche sehr schnell rot.
Angst machte alles nur noch schlimmer
Mailin wurde immer stiller, versuchte nicht aufzufallen. Ein Versuch, sich zu schützen, der ihr jedoch in Schulzeugnissen negativ ausgelegt wurde. Sie wechselte zuerst die Schule, bekam irgendwann ausschließlich Onlineunterricht. "Das lag nicht nur am Rotwerden", erklärt sie, "ich hatte einige psychische Probleme."
"Irgendwann benutzte ich nur noch stark deckendes Makeup. Damit fühlte ich mich endlich sicherer."
Rückblickend, sagt Mailin, hat sie sich in ihrer Vorstellung total rot gesehen, von Kopf bis zum Hals. Doch in Wirklichkeit war es oft gar nicht so schlimm. Sich das zu vergegenwärtigen sei ein Weg gewesen, mit dem Erröten umzugehen und sich schließlich wieder rauszutrauen.
Mittlerweile merkt Mailin nicht mehr, wenn sie errötet oder es ist ihr egal. Als eine Kollegin sie auf ihre Röte im Gesicht ansprach, reagierte Mailin mit einem einfachen: "Ja, ich weiß, das ist bei mir so." Damit sei die Sache durch gewesen, die Kollegin lachte nicht oder machte keinen Spruch, wie Mailin das aus ihrer Jugend kannte.
"Ich habe gelernt, mich selbst zu akzeptieren. Das hat alles verändert. Meine Haut ist ziemlich hell und es ist egal, ob mir etwas unangenehm ist oder ich viel Sport mache, ich werde halt schnell rot."
Rot werden ist eine ganz menschliche Reaktion. Hinzukommen sogenannte Begleiterscheinungen wie ein gesenkter Blick oder ein verlegenes Lächeln, sagt Alexander Gerlach, Professor am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Uni Köln. Er forscht zum Thema Erröten und erklärt: Das Erröten wird dann zum Problem, wenn wir davor Angst haben oder es uns in unserem Handeln hemmt. In dem Fall kann das Rotwerden zur sozialen Störung werden.
"Das Rotwerden ist eine physiologische Reaktion, die bei jedem Menschen auftritt. Bei Menschen mit dunklerer oder schwarzer Hautfarbe ist sie weniger oder gar nicht sichtbar."
Bei der, wie es in der Fachsprache heißt, emotionalen Errötungsreaktion weiten sich die Blutgefäße, erklärt Alexander Gerlach, wir werden rot. Psychologisch gesehen wird das Rotwerden dann wahrscheinlich, wenn wir ungewollt Aufmerksamkeit bekommen oder wenn wir beim Gegenüber fürchten, nicht den Eindruck zu machen, den wir uns wünschen.
Ob Anwalt, Student oder Uniprofessor: Wir alle werden rot
Alexander Gerlach berichtet von Vorgesetzten und Anwält*innen, die mit ihrer Röte zu kämpfen haben, weil sie dann Angst haben, nicht tough oder überzeugend genug rüberzukommen. In seiner Rolle als Uniprofessor erlebt er jedes Semester aufs Neue, dass Studierende rot werden, wenn sie beispielsweise ein Referat halten.
Und auch er selbst ist vor dem Erröten nicht gefeit. Letztens, erzählt er, ist er rot geworden, als eine Studierende sah, dass das Bild einer anderen Studierenden auf seinem Bildschirm zu sehen war. Er hatte sie gegoogelt, erklärt der Hochschulprofessor, weil er ein Gespräch mit ihr hatte, aber sich nicht mehr an ihr Aussehen erinnern konnte. "In dem Moment muss es aber so ausgesehen haben, als würde ich meine Studentinnen googlen“, sagt er. "Das war mir ein bisschen peinlich."
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- Mailin erzählt, wie sie es geschafft hat, mit starkem Erröten umzugehen
- Alexander Gerlach, Professor am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Uni Köln, forscht zum Thema Erröten und erklärt, was es mit Errötungsangst auf sich hat