Sobald wir die Wahl haben zwischen mindestens zwei Lösungen, kann er sich zu Wort melden - der Zweifel: Welches ist die bessere Entscheidung? "Zweifel können lähmen - und das ist nicht nur eine Sache des rationalen Denkens", sagt der Organisationsforscher Günther Ortmann.
"Kontingenz" nennen Wissenschaftler es, wenn wir Entscheidungen so oder auch anders treffen könnten. Heute, so der Organisationsforscher Günther Ortmann, haben wir Menschen so viele Entscheidungsmöglichkeiten, dass die Soziologen dafür den Begriff "Kontingenz-Eskalation" geprägt haben.
Die Komplexität der modernen Welt macht uns entscheidungsunfähiger
Das Weltwissen nehme immer weiter zu, die hochkomplexen Algorithmen, die viele Bereiche unseres Lebens steuern, verstehe niemand mehr. Das alles löse immer wieder große Zweifel in uns aus - bis hin zu Lähmungen. Wir sind dann schlicht überfordert, sagt Günther Ortmann.
"Wenn alles entweder unmöglich oder notwendig ist, gibt es nichts zu entscheiden."
Günther Ortmann macht die Problematik in seinem Vortrag am Beispiel Atomkraft deutlich: Sie habe zwar viele Vorteile, doch beispielsweise die Entsorgungsfrage sei nach wie vor unbeantwortet. Zur Kontingenz-Eskalation kommt laut Günther Ortmann bei solchen Themen noch die "Unmöglichkeits-Eskalation". Kurz gesagt: Manche Entscheidungen zu treffen, ist unmöglich.
"Habe den Mut zu zweifeln!"
Günther Ortmann wirft in seinem Vortrag die Frage auf, ob Künstliche Intelligenz vielleicht eine Lösung sei, um den Zweifel endgültig zu besiegen? Anhand von praktischen Beispielen argumentiert er, dass das keine Option sei.
Günther Ortmann ist Forschungsprofessor an der Universität Witten/Herdecke. Seinen Vortrag "Parasiten des Zweifels - Merchants of Doubt und die Sehnsucht nach Gewissheit" hat er am 22. Oktober 2018 auf Einladung der Daimler und Benz Stiftung in Berlin gehalten.