Seit Tagen lässt die israelische Regierung keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen. Die medizinische Versorgung der Menschen ist katastrophal. Rettungssanitäter Thorsten Schroer von der Berliner Hilfsorganisation Cadus hat uns erzählt, wie er dort unter diesen Umständen arbeitet und hilft.

Die Angriffe des israelischen Militärs auf den Gazastreifen halten an – immer wieder werden auch Krankenhäuser getroffen und Zivilist*innen verletzt oder getötet. Inmitten dieser Umstände arbeitet Thorsten Schroer. Der Notfallsanitäter aus Berlin ist für die Hilfsorganisation Cadus im Einsatz und geht dorthin, wo andere nicht hingehen.

Eine humanitäre Katastrophe

Klar macht er sich Sorgen, sagt er, aber auch "nicht superviel mehr" als vorher. Thorsten Schroer ist nicht zum ersten Mal als Helfer im Gazastreifen.

"In Gaza zu sein, ist per se sehr riskant. Das war schon immer so."
Thorsten Schroer, Rettungssanitäter der Berliner Hilfsorganisation Cadus

"Insgesamt ist die Lage einfach sehr, sehr angespannt – sowohl für die Zivilbevölkerung als auch für uns humanitäre Helfer", sagt der Rettungssanitäter. Der Angriff und die Tötung der Sanitäter des palästinensischen Roten Halbmonds in Rafah – der israelischen Armee wird massives Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen – habe die Stimmung weiter gedrückt und das Ganze "nochmal ein bisschen aggressiver" gemacht.

"Es ist halt im Moment einer der, wenn nicht der gefährlichste Einsatz – vor allem für die nationalen humanitären Helfer."
Thorsten Schroer, Rettungssanitäter der Berliner Hilfsorganisation Cadus

Vieles, was täglich passieren kann und passiert, liege außerhalb der Entscheidungsgewalt der Hilfsorganisationen. Es müsse einem völlig klar sein, dass man ein "sehr großes Risiko" eingeht, wenn man dort arbeitet.

Weniger Kommunikation mit dem israelischen Militär

Die Lage sei zum einen insgesamt so schwierig, weil aktuell keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen gelassen werden, zum anderen weil es weniger Möglichkeiten für die internationalen Helfer*innen gebe, mit dem israelischen Militär zu kommunizieren. All das mache Bewegungen außerhalb des Gästehauses, wo er sich aufhält, signifikant schwerer und gefährlicher.

"Man muss sich sehr stark überlegen: Was macht man? Was kann man noch machen?"
Thorsten Schroer, Rettungssanitäter der Berliner Hilfsorganisation Cadus

Zweimal in der Woche gebe es von Israel genehmigte Termine für die Hilfsorganisationen, um Mitarbeitende aus dem Gazastreifen hinein- und hinauszubringen. Ein neuer Kollege, der einen anderen ersetzen sollte, habe von den israelischen Behörden gerade keine Einreisegenehmigung bekommen. Bedeutet: Eine Person weniger, die vor Ort helfen kann.

Die Frequenz der Aktionen sei stark zurückgegangen, sagt der Rettungssanitäter. "Man muss sich sehr stark überlegen: Was macht man? Was kann man noch machen? Welche Krankenhäuser kann man noch anschauen?"

Evakuierungen, Notfälle – keine Routine

Einen typischen Tag gebe es für die Hilfsorganisationen in Gaza nicht, schildert Thorsten Schroer. Jeder Tag unterscheide sich von dem davor. Wichtig sei es, den Kontakt zu anderen Organisationen zu halten, um stets ein Bild von der aktuellen Lage zu haben.

Das Team von Cadus stehe immer bereit für kurzfristige Evakuierungen und Notfälle, erzählt er weiter: "Wir haben gestern zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation ein 16 Monate altes Kind nach Kerem Schalom gebracht." Kerem Schalom ist ein Kibbuz direkt an der Grenze des Gazastreifens. Von dort sei das Kind dann zur Behandlung weiter nach Jordanien gefahren worden.

Um sie so sicher wie möglich zu machen, benötigten solche Verlegungen sehr viel Planung und Abstimmung zwischen verschiedenen Organisationen und den israelischen Behörden.

Fatalismus bei der Bevölkerung Gazas

Den Bewohnerinnen und Bewohnern des Gazastreifens geht es sehr schlecht. Sie reagieren mit Fatalismus, berichtet der Rettungssanitäter.

"Es sind jetzt anderthalb Jahre Krieg. Keiner weiß, wie es hier weitergeht. Die Leute leben von Tag zu Tag."
Thorsten Schroer, Rettungssanitäter der Berliner Hilfsorganisation Cadus

Die Waffenruhe habe zwar einen kurzen Eindruck von Normalität ermöglicht – doch der sei dann wieder sehr brutal zusammengebrochen. Die Leute lebten von Tag zu Tag. Pläne zu machen, sei praktisch unmöglich.

Es fehle außerdem am Nötigsten. Alles sei knapp geworden in Gaza: Diesel, Mehl, Hilfsgüter aller Art. Akut müssen "dringendst, dringendst" mehr Lieferungen ins Land, fordert Thorsten Schroer.

Und danach brauche es einen belastbaren Waffenstillstand und Frieden.

Shownotes
Rettungssanitäter im Gazastreifen
Medizinische Hilfe unter katastrophalen Bedingungen
vom 22. April 2025
Moderation: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartner: 
Thorsten Schroer, Rettungssanitäter bei der Berliner Hilfsorganisation Cadus, zur Zeit im Einsatz im Gazastreifen