Reinhard Wagner, 25 Jahre alt, ist Gutachter für Strahlenschutz. 2018 ist der Physiker mit Spezialisierung auf Kernphysik in die Sperrzone von Tschernobyl gereist.
Die Ukraine hat viele wunderschöne und spannende Orte, die man bereisen kann: Odessa am Schwarzen Meer zum Beispiel oder die Hauptstadt Kiew ziehen jedes Jahr viele Touristinnen und Touristen an.
Und dann gibt es Tschernobyl. Die 30 Kilometer lange Sperrzone rund um den Atomreaktor, der 1986 explodiert ist und dazu geführt hat, dass die Gebiete rundherum unbewohnbar geworden sind, hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Touristenmagneten entwickelt. Viele Menschen reisen hin, um sich anzuschauen, wie die Orte nach der Katastrophe heute aussehen.
Auch Reinhard Wagner gehörte zu diesen Touristen. Er ist 2018 für zwei Tage mit seiner Freundin in die Sperrzone gereist, mit einer kleinen Reisegruppe von zehn Personen. Der damalige Physikstudent ist heute Gutachter für Strahlenschutz und studiert berufsbegleitend Medizinphysik, um mehr über die medizinische Anwendung von ionisierender Strahlung zu erfahren.
Regeln in der Sperrzone
Sie waren in der damaligen Modellstadt Prypjat, haben die Radarstation Duga und die neue Schutzhülle des Reaktors besucht und im Ort Tschernobyl übernachtet. In Prypjat in der damaligen Sowjetunion hatten 1986 ungefähr 50.000 Menschen gelebt.
"Was wir anziehen mussten – lange Klamotten und feste Schuhe –, war vom Reiseveranstalter beziehungsweise gesetzlich vorgeschrieben. Wegen der Kontamination. Schuhe kann man leichter abwischen als die eigene Haut."
Festes Schuhwerk und lange Klamotten waren vorgeschrieben. Und anfassen durfte man auch nichts, erinnert er sich. Die Gefahr, mit etwas in Berührung zu kommen, das noch kontaminiert ist, sei zwar sehr gering, sagt Reinhard. Die Touren seien so ausgelegt, dass das nicht passiert. Doch theoretisch könnte es ja sein, dass ein Teilnehmer sich mal selbständig macht und auf eigene Erkundungstour geht. Obwohl das natürlich verboten ist.
Nur mit Reiseveranstalter ist es Touristen erlaubt, in die Sperrzone zu reisen. 18 Jahre muss man alt sein und die Daten seines Reisepasses angeben, berichtet Reinhard.
Warum er in die Sperrzone reisen wollte, habe er nicht nur seinen Eltern, sondern auch denen seiner Freundin erklären müssen. Er habe diesen "Ort, der noch immer jede Diskussion über Kernkraft dominiert, in echt erleben" wollen.
"Ich wollte erfahren wie es sich anfühlt an einem Ort zu sein, den Menschen aufgrund einer Gefahr verlassen mussten, die mit unseren Sinnesorganen gar nicht wahrnehmbar ist."
Im Early Bird erzählt Reinhard außerdem, was er von "Dark Tourism" hält, ob die Reise gesundheitlich unbedenklich war und warum er danach das Thema seiner Abschlussarbeit ändern musste.