Die Sondierungsgespräche zwischen den Unionsparteien, FDP und Grüne sind gescheitert. Wie kann jetzt eine neue Regierung gebildet werden? Wird eine schwarz-grüne Minderheitsregierung die Lösung sein oder finden Neuwahlen statt?
In der Nacht zum 20. November 2017 hat FDP-Chef Christian Lindner weitere Gespräche zur Bildung der sogenannten Jamaika-Koalition, einem Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, abgebrochen. Damit steht fest: Es gibt keine Mehrheit im Bundestag für eine Regierungsbildung. Denn, die nach der Union nächst größte Fraktion im Parlament, die SPD, lehnt eine Neuauflage der Großen Koalition mit der Union ab.
"Es wird noch einen Beschluss aus dem SPD-Bundesvorstand geben: Keine Große Koalition. Ich sehe das wirklich als sehr unwahrscheinlich an."
Doch was heißt das jetzt? Zwar steht im Grundgesetz keine Frist, die vorschreibt, in welchem zeitlichen Ablauf die nächsten Schritte folgen müssen. Klar ist aber auch, dass die kommissarische Regierung so schnell wie möglich von einer stabilen Regierung abgelöst werden soll. Bis diese stabile Regierung im Amt ist, regiert Angela Merkel als geschäftsführende Bundeskanzlerin mit ihrem Kabinett kommissarisch weiter, weil der Bundespräsident sie darum ersucht, auch wenn er am 24. Oktober 2017 dem alten Kabinett die Entlassungsurkunden überreicht hat.
Entscheidende Rolle des Bundespräsidenten
Dem Bundespräsidenten kommt meist eher eine repräsentative Rolle zu. Doch jetzt, in dieser Hängepartie, muss Frank-Walter Steinmeier weitreichende politische Entscheidungen treffen. Seine erste Reaktion: nicht so schnell auf Neuwahlen drängen. Er will noch einmal mit allen Parteispitzen sprechen, auch mit der SPD, seiner eigenen Partei, um ohne Neuwahlen einer stabilen Regierung auf den Weg zu helfen. Wenn das nicht klappt?
"Kanzlermehrheit"
Als Bundespräsident muss Frank-Walter Steinemeier dem Parlament eine Kandidatin oder einen Kandidaten für die Kanzlerwahl vorschlagen. Gewinnt der oder die Kandidatin nach dem ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit im Bundestag, kommt es innerhalb von 14 Tagen zu weiteren Wahlgängen. Dann kann der Bundestag auch einen anderen Kandidaten oder Kandidatin wählen. Die Zahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt. Wichtig ist, dass der oder die Kandidatin dabei die absolute Mehrheit erzielt, also immer eine Stimme mehr als die Hälfte der Abgeordneten bekommt – die "Kanzlermehrheit".
Wird der oder die Kanzlerin mit absoluter Mehrheit gewählt, muss der Bundespräsident ihn oder sie sieben Tage nach der Wahl ernennen.
Wird auf diese Weise immer noch kein Kanzler oder Kanzlerin gewählt, erfolgt ein weiterer, letzter Wahlgang, in dem gewählt ist, wer die meisten der abgegeben Stimmen erhält (einfache Mehrheit). Der Bundespräsident entscheidet, ober er den Kandidaten oder Kandidatin innerhalb von sieben Tagen ernennt oder den Bundestag auflöst.
Jetzt dürfen Neuwahlen stattfinden
Erst jetzt, nach diesem Prozedere, hat der Bundespräsident die Möglichkeit den Bundestag aufzulösen. Dann müssen innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden. Alle, die jetzt nach Neuwahlen rufen, werden sich also noch eine Weile gedulden müssen. Selbst wenn das Verfahren beschleunigt ablaufen sollte, ist damit frühestens Ende Januar 2018 zu rechnen. Schließlich müssen organisatorische Abläufe eingehalten werden wie das Versenden der Wahlbenachrichtigungen mit vierwöchigem Vorlauf.
"Meiner Ansicht nach ist es die wahrscheinlichste Variante, aber es ist relativ kompliziert. Denn vorher muss der Bundestag aufgelöst werden. Die Voraussetzung dafür ist eine mehrfach gescheiterte Kanzlerwahl."
Minderheitsregierung
Löst der Bundespräsident das Parlament aber nicht auf, sondern ernennt den Minderheiten-Kanzler oder die -Kanzlerin, ist der oder die mit der Bildung der Minderheitsregierung beauftragt. Auf Bundesebene gab es noch nie eine Minderheitsregierung, auf Länderebene war dies schon mehrfach der Fall. Problem dabei ist, dass sich die Regierung für jedes Vorhaben die notwendige Mehrheit im Bundestag zusammensuchen muss. Als besonders schwierig wird das bei der Verabschiedung des Bundeshaushalts bewertet.
"Der schwarz-gelben Minderheitsregierung würde 29 Sitze zur Mehrheit im Bundestag fehlen. Bei Schwarz-Grün wären es 42. 29 und 42 sind schon viele, die zur Mehrheit fehlen. Das widerspricht auch dem, was wir den ganzen Tag hören: Wir wollen eine stabile Regierung."
Bislang scheint eine Minderheitsregierung auch von keiner Fraktion im Parlament gewollt zu sein: Angela Merkel hat erklärt, dass sie eine stabile Regierung anstrebt, und die SPD will eine CDU-geführte Minderheitsregierung nicht tolerieren.
"Angela Merkel hat sich selbst dafür ausgesprochen: Ihr wäre eine Neuwahl durchaus lieber als eine Minderheitsregierung, weil man bei einer Minderheitsregierung in die Situation kommen kann, dass man Stimmen von der AfD braucht."