Reggaeton: Seit Jahren wird über den sexistischen Charakter der Songs diskutiert – trotzdem sind bei den Latin Grammy Awards viele Künstler nominiert, die mit ihren Songs sexistische Inhalte verbreiten.
"Beweg dein Hinterteil [...] Daddy bestimmt die Regeln, du musst gehorchen" heißt es in Daddy Yankees Song "Con Calma". Er ist damit einer von vielen Reggaeton-Künstlern, die bei den diesjährigen Latin Grammy Awards nominiert sind – obwohl ihre Songtexte von sexistischen und frauenfeindlichen Inhalten geprägt sind. Sexismus und Gewalt werden bei ihnen zum Stilmittel.
Diskussionen über den sexistischen Charakter von Reggaeton gibt es schon seit Langem – besonders in Lateinamerika scheint sich die Kritik an dem Musikstil aber aufzulösen. Denn: Reggaeton ist hier sehr beliebt.
Kleine Kinder singen die Textzeilen vor sich hin, alte Menschen tanzen dazu – Reggaeton spreche einen Großteil der Gesellschaft an, unabhängig von der sozialen Schicht oder vom Alter der Leute, sagt Anne-Katrin Mellmann, ARD-Korrespondentin in Mexiko-Stadt.
Text und Musik sind nicht gleichwertig
Ihre Vermutung: Die Fans von Reggaeton trennen den Text von der Musik. Statt sich intensiv mit den Textinhalten zu beschäftigen, tanzen sie zum Rhythmus. Das sagt auch Musikpromoter Marius Finger vom Reggae-Label Rootdown Music: In Latein- und Südamerika überzeuge ein Song die Menschen in erster Linie durch den Beat und die Stimmung, meint er.
Der Musikpromoter sieht die Verantwortung bei den Hörerinnen und Hörern selbst: Als Muttersprachler könnten sie sich auch kritisch mit den Texten auseinandersetzen und anschließend selbst entscheiden, ob sie die Haltung des Songs annehmen beziehungsweise akzeptieren möchten. Zumal es auch eine Vielzahl von Reggaeton-Songs gäbe, die abseits sexistischer und frauenfeindlicher Inhalte funktionieren würden, sagt Marius Finger.
Reggaeton: Es braucht mehr Bewusstsein für die Texte innerhalb der Gesellschaft
Sich kritisch mit den Songs auseinanderzusetzen, fordern auch immer mehr feministische Bewegungen. Besonders in Mexiko werden die Stimmen gegen sexistische Inhalte im Reggaeton zunehmen lauter.
Das mexikanische Institut #demachosahombres (übersetzt: Vom Macho zum Mann) hat zum Beispiel dreißig der erfolgreichsten Reggaeton-Songs auf ihren sexistischen Charakter untersucht.
Neben dem frauenfeindlichen Charakter zeigt die Organisation auch, dass viele Reggaeton-Künstler ein stereotypes Bild von Männlichkeit abbilden: Oft werden Männer als die Leidenden dargestellt, die ihre Gefühle nicht ohne den Einfluss von Alkohol oder Drogen zulassen können, sagt Nicko Nogués, der Chef der Organisation #demachosahombres. Dieser Aspekt sei aber noch nicht in der allgemeinen Debatte angekommen.