Bürgerwehren patrouillieren nachts in den Straßen – mit dem Ziel, für Sicherheit zu sorgen. In ganz Deutschland gibt es mittlerweile solche Gruppen. Laut Bundesregierung oft mit "rechtsterroristischen Potenzialen."
Muskulöse Männer mit Hunden patrouillieren nachts die Straßen – immer häufiger streifen selbst ernannte Bürgerwehren in deutschen Städten bei Dunkelheit durch die Nachbarschaft. Sie leisten, was die Polizei in ihren Augen nicht mehr leisten könne: Für Sicherheit sorgen – so rechtfertigen sie ihr Handeln, sagt Nina Bust-Bartels von der Universität Marburg.
"Sie nutzen Bürgerwehren, um im öffentlichen Raum Kontrolle auszuüben. Sie suggerieren damit, der Staat würde seine Aufgabe, für Sicherheit zu sorgen, nicht mehr erfüllen. Stattdessen würde nun die Bürgerwehr die Anwohner schützen."
Die Bundesregierung sieht bei selbst ernannten Bürgerwehren in Deutschland Ansätze für rechten Terror. Das geht aus einer Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag hervor. Der Übergang zu eigenmächtigem, teilweise sogar gewalttätigem Handeln sei fließend, schreibt das Innenministerium. Doch was ist dran an dem Vorwurf?
Ihr Feindbild: Geflüchtete und Muslime
Nina Bust-Bartels promoviert an der Universität Marburg über Bürgerwehren und hat für ihre Forschung Bürgerwehren auf ihren Patrouillen begleitet. Dabei ist sie auf ein breites Spektrum von Bürgerwehr-Gruppen gestoßen, erzählt sie. Zum einen gebe es unpolitische Nachbarschaftswachen, die auch mit der Polizei kooperieren. Zum anderen aber auch seit 2016 einen starken Anstieg an rechten Bürgerwehren, die behaupten, sich vor Migranten schützen zu müssen.
"Ich habe eine rechtsextreme Bürgerwehr in einem kleinen Ort in Sachsen begleitet. Sie sagen, sie wollen Frauen vor Übergriffen durch die im Ort untergebrachten Geflüchteten schützen."
Die rechten Bürgerwehren haben ein klares Feindbild, sagt die Wissenschaftlerin: Geflüchtete und Muslime. Um ihre rechtsextremen Forderungen durchzusetzen, schrecken die Gruppen vor Gewalt nicht zurück. Sie würden zwar immer wieder versichern, sich an die Gesetze zu halten, erzählt Nina Bust-Bartels. Oft sei das aber nicht der Fall. Denn der Übergang zwischen Einschüchterung und Gewalt sei oft fließend. Als Beispiel nennt sie eine Bürgerwehr, die bei ihren allnächtlichen Streifzügen Wohnungslose verscheucht habe.
"Eine Bürgerwehr, die ich begleitet habe, hat Wohnungslose verscheucht, die eine Straßenzeitung verkaufen wollten. Das war nicht direkt handgreiflich, aber es hätte leicht eskalieren können."
Polizei ist machtlos
Die Polizei kann oft nicht gegen rechte Bürgerwehren vorgehen. Solange die Mitglieder nicht offensichtlich Gewalt ausüben, dürfen sie auf Streife gehen. Auch die Gründung einer Bürgerwehr ist nicht illegal. Aber auch ohne dass sie körperliche Gewalt ausüben, verändern Bürgerwehren mit ihren Patrouillen den öffentlichen Raum, sagt Nina Bust-Bartels. Viele Menschen seien eingeschüchtert oder hätten sogar Angst.
"Diese rechtsextreme Bürgerwehr in Sachsen, die ich getroffen habe, die haben mir zum Beispiel erzählt, dass die Geflüchteten im Ort vor ihnen weglaufen würden, weil sie Angst vor der Bürgerwehr haben."
In einigen Fällen schlage Einschüchterung in Gewalt oder sogar Terror um, sagt Nina Bust-Bartels. Ein bekanntes Beispiel für eine rechtsterroristische Bürgerwehr ist die Bürgerwehr Freital. Die terroristische Vereinigung hat 2015 Asylunterkünfte mit Sprengkörpern angegriffen. Einige Mitglieder wurden mittlerweile zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Wie viele Gruppen mittlerweile bundesweit existieren, sei schwer zu sagen. Denn offizielle Zahlen gebe es nicht, sagt Nina Bust-Bartels. Bei ihrer Recherche ist sie bei Facebook auf hunderte Bürgerwehr-Gruppen mit tausenden Mitgliedern gestoßen. Ob sich die Gruppen auch offline treffen, sei aber unklar.
Hinweis: Unsere Gesprächspartnerin Nina Bust-Bartels arbeitet auch als redaktionelle Mitarbeiterin im Deutschlandfunk-Nova-Team.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de