Jede*r Gefangene in deutschen Haftanstalten hat das Recht, ein Gericht anzurufen, wenn er oder sie sich unfair behandelt fühlt. Warum es in der Praxis jedoch anders aussieht, erläutert Christine Graebsch, während sich Klará Pinerová mit der Situation in den Gefängnissen der ehemaligen Tschechoslowakei befasst.
Christine Graebsch ist Kriminologin und Anwältin. Sie schildert aus ihren Erfahrungen und Fällen, mit welch harten Bandagen noch heute gekämpft werde, wenn es um Rechtsstreitigkeiten im deutschen Strafvollzug geht.
Im Fachjargon sei bereits von renitenten Gefangenen und renitenten Behörden die Rede. Sie selbst vertritt als Anwältin Gefangene, damit diese ihre Ansprüche und Rechte durchsetzen können. Doch oft beiße sie dabei auf Granit. Selbst wenn ein Gefangener vor Gericht schließlich Recht bekäme, würden die Behörden Auswege finden, um das Urteil nicht umsetzen zu müssen - beispielsweise, indem Inhaftierte dann einfach in eine andere Anstalt verlegt würden und sich dadurch die Zuständigkeiten änderten.
"Seit 2013 gibt es die Möglichkeit, Zwangsgeld gegen die Haftanstalten festzusetzen."
Inzwischen seien die Rechte der Betroffenen etwas gestärkt, aber eine Klage lohne sich nur für Häftlinge, die mehrere Jahre einsitzen. Allein die lange Verfahrensdauer mache ihnen oft einen Strich durch die Rechnung. So seien nur 1 bis 5 Prozent aller Klagen wirklich erfolgreich.
Gefängnisse in der ehemaligen Tschechoslowakei
Unmittelbar nach 1945 gab es in den Gefängnissen der CSSR nur eine Mangelverwaltung. Es fehlte an Kleidung, Desinfektionsmitteln und ordentlichen Betten. Außerdem mussten die Häftlinge Schwerstarbeit mit unverhältnismäßig langen Arbeitszeiten verrichten.
"Um die Arbeitsleistung der Häftlinge auf ein möglichst hohes Niveau zu steigern, wurden Arbeitsstandards angelegt, die zu hoch waren."
So existierte die Anordnung, die Insassen zu sozialistischen Menschen umzuerziehen. Dies rechtfertigte das Schikanieren politischer Gefangener durch das Wachpersonal. Noch bis 1989 war laut Zeugenaussagen Gewalt fester Bestandteil des Gefängnisalltags.
Der Workshop am 5. September 2022 in Berlin stand unter dem Titel "Neue Perspektiven auf historisch-politische Bildung in ehemaligen Gefängnissen“ und wurde organisiert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Agentur für Bildung und dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung. Die Fachleute diskutierten darüber, wie die Bildungsarbeit an den Gedenkstätten, die früher Gefängnisse waren, verbessert werden kann.
Unter anderem sprachen Christine Graebsch, Leiterin des Strafvollzugsarchivs an der Fachhochschule Dortmund über "Haftbedingungen und Menschenrechtsfragen in Westdeutschland" und die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institute for the Study of Totalitarian Regimes in Prag, Klará Pinerová über "Gefängnisse in der Tschechoslowakei nach 1945 - ein Vergleich".