Nach Anschlägen oder vereitelten Umsturzversuchen wird oft gefragt, wie und weshalb sich Menschen radikalisieren. Doch wie kann man Radikalisierten helfen, diesen Pfad wieder zu verlassen?

Peter Anhalt arbeitet als Projektleiter für das gemeinnützige Unternehmen Violence Prevention Network (VPN). Er hat mit Menschen zu tun, die radikalisiert sind und daran arbeiten wollen, ihre Einstellungen und ihre Lebensweise grundlegend zu verändern.

Peter Anhalt hat mit unterschiedlichen Gruppen zu tun: Zum Beispiel mit hoch radikalisierten Schülern, die von ihrer Schule die Weisung erhalten, das Angebot wahrzunehmen, wenn sie weiterhin an der Schule bleiben wollen.

"Wir haben oft mit Menschen zu tun, die ein hohes Gewaltpotenzial haben und von innerem Hass gesteuert werden. Da sind viele ansprechbar über die Frage: 'Ist das das Leben, was ich leben will?'"
Peter Anhalt, Projektleitung bei Violence Prevention Network GmbH im Bereich Rechtsextremismus

Auch die Polizei oder die Jugendgerichtshilfe kann den Kontakt zwischen Radikalisierten und der VPN herstellen. Und das gemeinnützige Unternehmen arbeitet auch mit Menschen aus dem Strafvollzug, die bereits straffällig geworden, sagt der Fachmann für Rechtsextremismus.

Auch sogenannte Gefährder gehören zu seinen Klienten. Zu ihnen gehören Menschen, die zum Beispiel von Behörden auf das Angebot des VPN hingewiesen werden. Und auch solche, die Peter Anhalt gemeinsam mit Sicherheitsbeamten aufsucht, um herauszufinden, ob sie bereit dazu sind, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Blasenbildung als Problem

Peter Anhalt hat in den Nuller-Jahren angefangen, mit Radikalisierten zu arbeiten. Damals war die Ausgangslage eine andere. Rechte Meinung und rechtspopulistische Parteien waren nicht so stark und nicht so salonfähig. Seine Klienten verstanden sich vor zwei Jahrzehnten selbst noch als Outlaws, die sich am Rande der Gesellschaft befinden.

Inzwischen seien viele Radikalisierte in den sozialen Medien nur noch in ihrer "Blase" unterwegs, "in der man sein rechtsextremistisches Weltbild immer weiter festigt und andere Meinung gar nicht mehr hört", sagt Peter Anhalt. Sie nutzen kein Fernsehen, lesen keine Zeitung, umgeben sich nur mit Menschen, die die gleiche Weltanschauung haben und haben über Social Media auch besser Möglichkeiten, sich zu vernetzen und zu organisieren, sagt der Projektleiter.

"Wenn wir mit Gefährdern arbeiten, kann es sein, dass wir mit der Polizei gemeinsam zu den Klienten gehen."
Peter Anhalt, Projektleitung bei Violence Prevention Network GmbH im Bereich Rechtsextremismus

Wie man zum Beispiel anhand der Reichsbürgerbewegung sehen kann, kommen Radikalisierte inzwischen immer öfter aus der Mitte der Gesellschaft, erklärt der Projektleiter. In der Bewegung war zum Beispiel eine Richterin und AfD-Politikerin aktiv, die inzwischen verhaftet wurde und vor Gericht steht. Auch gegen zwei Polizisten wurde beispielsweise ermittelt.

"Rechtsextremismus ist sehr viel präsenter und auch größer geworden. Unsere Klienten sehen sich inzwischen als Teil eines Mainstreams, der sie ja nicht sind."
Peter Anhalt, Projektleitung bei Violence Prevention Network GmbH im Bereich Rechtsextremismus

Es geht nicht über Argumente

Ein wichtiger Teil seiner Arbeit besteht aus Gefühlsarbeit, sagt Peter Anhalt. Mit Ideologen könne man nicht diskutieren, sagt er. Vielmehr geht es darum, gemeinsam mit den Klienten herauszufinden, welchen Lebensentwurf sie sich für sich selbst vorstellen können oder erträumen.

Viele seiner Klienten sind durch ihren Hass motiviert, viele haben ein großes Gewaltpotenzial und manchen fällt es auch schwer, auf Gewalt zu verzichten, weil es ihnen ein gutes Gefühl gibt, Gewalt und körperliche Macht gegen andere auszuüben. Ein von Hass bestimmtes Leben sei ein sehr eingeschränktes Leben, weiß der VPN-Projektleiter.

"Wenn man sie fragt, wie stellst du eigentlich dein Leben vor? Dann sagen sie in der Regel nicht, ich will rechtsextrem sein, will mich prügeln und im Knast landen, sondern sie haben eher kleinbürgerliche Wünsche."
Peter Anhalt, Projektleitung bei Violence Prevention Network GmbH im Bereich Rechtsextremismus

Aber Hass und Wut seien nicht die einzigen Gefühle, die eine Rolle bei Radikalisierten spielen, sagt Peter Anhalt. Auch Liebe, Glück, Freude werden in Aufstellungen von den Klienten genannt, seien aber bisweilen schwer im eigenen Leben zu erreichen oder zu erlangen, weil viele von den hoch Radikalisierten in Konflikte mit der Justiz geraten.

Eine zentrale Frage, die Peter Anhalt mit seinen Klienten bearbeitet, ist die Frage danach, welches Leben sie sich für sich selbst wünschen. Oft werden klassische und verbreitete Wünsche nach Arbeit, Familie, Auto und Wohneigentum geäußert. Darüber findet Peter Anhalt in manchen Fällen einen Zugang zu den Klienten und kann mit ihnen gemeinsam schauen, wie sie ihr Leben verändern sollten oder können, um ihre Wunschvorstellungen und Ziele erreichen zu können.

Shownotes
Wege aus dem Rechtsextremismus
Experte: "Von Outlaws zu Menschen aus der Mitte der Gesellschaft"
vom 14. März 2025
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Peter Anhalt, Projektleitung bei Violence Prevention Network gGmbH im Bereich Rechtsextremismus