Eine demografische Verschiebung und ein Präsident, der Versatzstücke rechter Ideologie mit Tweets und Wahlkampfveranstaltungen gesellschaftsfähig mache – der Politikwissenschaftler Thomas Jäger erklärt, warum sich in den USA immer öfter anfällige Charaktere radikalisieren lassen.
Viel spricht dafür, dass der Anschlag von El Paso, Texas, einen rechtsextremen und rassistischen Hintergrund hat. Ermittler behandeln die Bluttat als inländischen Terrorismus. Ein 21-jähriger weißer Texaner wird verdächtigt, in einem Einkaufszentrum in der Grenzstadt zu Mexiko das Feuer eröffnet und 20 Menschen getötet zu haben. Der mutmaßliche Schütze hatte sich ergeben und befindet sich in Polizeigewahrsam. Die Ermittler prüfen, ob ein kurz vor der Tat im Netz veröffentlichtes Pamphlet vom Täter stammt. Es sehe zunehmend danach aus, sagte El Pasos Polizeichef Greg Allen. In der Kampfschrift heißt es unter anderem: "Dieser Angriff ist eine Antwort auf die hispanische Invasion in Texas." Es wäre nicht der erste Anschlag mit rassistischem Motiv.
Die rechte Szene in den USA ist schwer zu fassen. Es handele sich um eine sehr zersplitterte Szene, die sich unter dem Namen der "Alt Right" – der "Alternativen Rechten" – sammele, sagt Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik an der Uni Köln. Die verschiedenen Gruppierungen träfen sich in einem ideologischen Punkt: die Überlegenheit der Weißen – und damit verbunden im Rassismus gegenüber der schwarzen, hispanischen und jüdischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten.
"White supremacy" als Schlagwort - ein neues Phänomen
Dass diese vermeintliche "white supremacy" zum Schlagwort wurde, ist noch gar nicht so lange her, erklärt der Politikwissenschaftler. Lange Zeit galt: Die weiße Bevölkerung war die "Normalität" der Vereinigten Staaten. Die schwarze Bevölkerung war versklavt und Bürgerinnen und Bürger mit hispanischem Background kaum vorhanden. Neben einigen wenigen Einwanderern aus China stammte der Großteil der Bevölkerung der USA aus Europa. Dann kam es zu einer demografischen Verschiebung. Die Folge: Es entstand eine Bewegung mit dem Ziel, die weiße Vorherrschaft zu bewahren.
Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem die weiße Bevölkerung ihre Mehrheit verliert. Es ist absehbar, dass sie weiterhin die größte Gruppe in den USA bleibt, aber nicht mehr über 50 Prozent Bevölkerungsanteil kommt. Und genau jetzt setze sich vom rechten Rand her die Vorstellung des großen Austauschs der Bevölkerung durch. Ein Gedanke, der ursprünglich unter anderem aus Frankreich stamme und auch beim Massaker in Christchurch in Neuseeland zur Rechtfertigung herangezogen worden sei.
"Es entsteht ein gesellschaftliches Klima, dass dazu geführt hat, dass die Radikalisierung weißer Rassisten viel wahrscheinlicher geworden ist."
Diese Ideologie füge sich in die ideologische Ausrichtung der Trump-Regierung ein, erklärt Thomas Jäger: Gegen die Elite, gegen das Establishment, gegen diejenigen, die angeblich aus Profitgier die Bevölkerung austauschen wollten. Und die in Kauf nähmen, dass Menschen in die USA ziehen, die das Land zwar verändern, aber als billige Arbeitskräfte bereitstehen.
Auch in den Vereinigten Staaten gebe es am rechten Rand eine Ausdifferenzierung zwischen beinharten Nazis und Bürgerinnen und Bürgern, die in diese Richtung tendierten – zwischen denjenigen, die Gewalt einfordern und denen, die noch darüber streiten. Was neu ist: Mittlerweile ziehe sich diese Bewegung bis ins Weiße Haus, sagt Thomas Jäger. Zwar sitze dort niemand, der öffentlich Gewalt befürworte, Donald Trump bediene aber genau diese ideologischen Momente. Er war mit der Plattform Breitbart verbunden, die die Alt-Right-Argumentation verbreitet habe. Die Folge: Ein gesellschaftliches Klima, in dem die Radikalisierung weißer Rassisten viel wahrscheinlicher geworden sei, als dies zu früheren Zeiten der Fall gewesen sei.
Trump macht rassistische Äußerungen salonfähig
Klar ist: Rechtsradikalismus in den USA ist keine neue Entwicklung. Trump sei also nicht der Auslöser dieser rechten Gewalt. Aber er sei jemand, der die ideologischen Versatzstücke durch die Lautsprecher seiner Tweets und Wahlkampfveranstaltungen gesellschaftsfähig mache. So sei es in einem bestimmten Teil der US-Bevölkerung normal geworden, von der "Invasion aus dem Süden" zu sprechen. Ein Begriff, den Trump salonfähig gemacht habe.
Und wer die Ideen des großen Austauschs und der Invasion im Kopf habe, für den entstehe ein Bild, dass in den Südstaaten der USA die Gefahr bestehe, dass die Bevölkerungszusammensetzung kippen könnte. Und genau dass sei der Moment, in dem sich anfällige Charaktere radikalisieren ließen. Wenn dazu noch der Umstand komme, dass es in den USA sehr leicht ist, an Waffen zu kommen, dann könne wirklich von einem Rezept aus der Hölle gesprochen werden, sagt der Politikwissenschaftler.
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