Eigene Wohnung, eigenes Geld: Viele wollen so schnell wie möglich erwachsen werden. Dann sind sie es und merken: Ups, so cool ist das gar nicht. Wie wir uns die Lebensfreude trotzdem erhalten, erklärt Familientherapeutin Anke Lingnau-Carduck.
Junge Leute sehnen sich nach Autonomie. Das eigene Leben alleine bestreiten, niemand der einem da ständig reinredet. Ist man dann irgendwann komplett auf sich gestellt, sind einige dann doch ziemlich überrumpelt von der ganzen Verantwortung, die man dann so tragen muss: Haushalt, Versicherungen, Steuern sind nur ein paar Dinge, die auf einen zukommen. Ernüchterung stellt sich ein.
"Meine Eltern haben gesagt, genieß die Schule so lang du noch kannst. Ich hab gesagt, ich will arbeiten gehen. Jetzt will ich wieder in die Schule."
Als Kind haben wir noch nicht so eine konkrete Vorstellung davon, wie der Alltag einer erwachsenen Person sein könnte. Es dreht sich erst mal nur um den 18. Geburtstag. Für viele ist das wie eine ersehnte Schallmauer. "Manche denken, dann bin ich erwachsen. Aber Erwachsensein ist ein Prozess, der dann eigentlich erst losgeht", sagt die Familientherapeutin Anke Lingnau-Carduck.
Phase, in der Jugendliche nicht so schnell erwachsen werden wollen
Es gibt verschiedene Definitionen für das Erwachsensein. Für die Familientherapeutin zählt dazu, dass jemand eigenverantwortliche Entscheidungen selbst treffen kann. In der Wissenschaft gibt es auch den Ansatz: Erwachsen ist man, wenn man seine Emotionen kontrollieren kann. Andere wiederum sagen: Erwachsen werden dauert ein Leben lang.
Anke Lingnau-Carduck hat in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen festgestellt, dass aber nicht alle schnell erwachsen werden wollen und einige sogar Angst davor haben.
"Es scheint eine Phase zu geben im Leben, wenn man jung ist und in die Pubertät reingeht, dass man das nicht so gerne will. Da will man immer Kind sein."
Das ändere sich meist, wenn es auf die Volljährigkeit zugeht. "Es gibt so viel Reibung daheim und mit den Menschen, die einem was zu sagen haben. Und da gibt es eine totale Lust darauf, frei zu werden davon und selber entscheiden zu können", sagt die Familientherapeutin.
Start in die Autonomie beginnt für manche holprig
Häufig erleben 20 bis 30-Jährige dann den Realitätsschock, so die Expertin. Manche würden in ihrer Autonomie loslegen und dann ins Strudeln kommen, wenn es etwa darum geht, Verträge zu schließen oder Fristen einzuhalten – beispielsweise fürs Einschreiben ins Studium. Andere stoßen auch auf mentale Probleme, sagt die Familientherapeutin.
"Es gibt viele, die ich kennenlerne, die mental Schwierigkeiten mit dieser Verantwortungsübernahme und dieser Selbständigkeit bekommen."
Sollte das passieren, rät die Familientherapeutin dazu, sich im eigenen Umfeld Halt zu suchen – bei Eltern, Geschwistern oder Freunden. Auch professionelle Beraterinnen und Berater seien gute Anlaufstellen. Wichtig sei, über die Probleme zu sprechen, sagt die Familientherapeutin: "Also das mal zu sortieren, was hab ich denn da eigentlich gedacht und was hab ich gemacht und wie kommt es, dass ich damit jetzt ein Problem bekomme und es mir nicht gut geht damit."
Ein bisschen Kindheit und Jugend bewahren
Hilfreich sei es auch, Dinge mit ins Erwachsenenalter zu nehmen, die einem in der Kindheit und Jugend Spaß gemacht haben. Das kann zum Beispiel sein, sich auf einem Spielplatz auf die Schaukel zu setzen und zu schaukeln.
"Oder barfuß im Regen zu tanzen, eine Wiese runterrollen, als sei man wieder fünf Jahre alt."
Man spricht dabei von body2brain-Übungen, die für seelisches Wohlbefinden sorgen. Laut der Familientherapeutin ist es nachgewiesen, dass das klappt. Dabei werde auch Stress abgebaut. "Das Gehirn erinnert sich, die Netzwerke von früher gehen an und es wird sofort an den Körper gemeldet, das fühlt sich gut an", sagt sie.
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- Dennis, Mi und Sunny sehnen sich manchmal in ihre Kindheit zurück
- Anke Lingnau-Carduck, Familientherapeutin