• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

In Bristol haben Demonstrierende eine Statue umgeworfen und im Hafenbecken versenkt. Sie erinnerte an einen Sklavenhändler. Auch bei uns in Deutschland stehen solche zweifelhaften Denkmäler.

Am Sonntag sind auch in Bristol viele Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße gegangen. Die Proteste gingen soweit, dass die Demonstrierenden dabei eine Statue umgestürzt, zum Hafen gerollt und dann im Wasser versenkt haben.

"Es war eine Frage der Zeit, bis so etwas passiert."
Jürgen Zimmerer, Historiker

Die Statue stellt Edward Colston dar. Colston hat von 1636 bis 1721 gelebt. Er ist in Bristol geboren, war Politiker, Unternehmer - und Sklavenhändler. Das Denkmal wurde 1895 errichtet. Auf einer dazugehörigen Bronzetafel steht: "Aufgestellt von den Bürgern Bristols als Ehrenmal an einen der rechtschaffensten und weisesten Söhne ihrer Stadt."

80.000 Menschen als Sklaven verschifft

Edward Colston war sehr reich und hat Teile seines Vermögens Wohltätigkeitsorganisationen in Bristol vermacht. Sein Vermögen allerdings hat er vor allem als Sklavenhändler gemacht. Er soll mehr als 80.000 Frauen, Männer und auch viele Kinder aus Westafrika in die Karibik und nach Amerika verschifft haben. Als Arbeitskräfte für Plantagen.

Ihr habt zugestimmt, dass externe Inhalte angezeigt werden. Hier könnt ihr die Auswahl  deaktivieren.

Die brutale Vergangenheit von Edward Colston ist schon seit längerem bekannt. In Bristol wurde immer wieder darüber diskutiert, wie die Stadt mit dieser Geschichte umgehen sollte - mit dem Andenken an diesen Mann, der für das Elend und den Tod vieler Menschen verantwortlich ist, andererseits aber der Stadt Bristol mit seiner Wohltätigkeit auch Gutes getan hat.

Es gab die Idee, die Statue ins Museum zu stellen. 2018 wurde darüber diskutiert, die zum Denkmal gehörige Plakette auszutauschen. Stattdessen sollte ein Schild angebracht werden, auf dem auch die problematische Vergangenheit als Sklavenhändler erwähnt wird. Das Problem: Man konnte sich auf keinen Text einigen.

Verena von Keitz, Deutschlandfunk Nova
"Die Band Massive Attack, deren Mitglieder aus Bristol stammen, meint, die Statue hätte niemals aufgestellt werden dürfen. Und auch der Bürgermeister zeigt Verständnis für die Aktion."

Der Bürgermeister von Bristol will die Statue jetzt übrigens bergen lassen und ins Museum stellen. Für den freigewordenen Platz in der Stadt gibt es einen neuen Vorschlag: Eine Petition setzt sich dafür ein, dass Paul Stephenson, ein schwarzer Bürgerrechtler aus Bristol, an der Stelle mit einem Denkmal geehrt wird.

Auch in Deutschland gibt es problematische Denkmäler


Protest und Diskussionen um Denkmäler, die ehemalige Kolonialherren oder andere zweifelhafte Politiker oder Unternehmer ehren, gibt es in vielen Ländern, sagt Jürgen Zimmerer. Er ist Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg und beschäftigt sich damit, wie die Kolonialzeit bis heute nachwirkt. Er findet es nachvollziehbar, dass es früher oder später zu einem Eklat wie in Bristol kommen musste. Jürgen Zimmerer sagt, die Diskussionen um die Spuren des Kolonialismus im öffentlichen Raum gebe es schon lange, aber es passiere sehr wenig. Manchmal würden die Forderungen einfach überhört oder verliefen sich.

"Wir als Bevölkerung haben ein Recht, aufzuwachsen, ohne auf eine Statue zu blicken, die die Versklavung von Menschen - vielleicht von unseren Vorfahren - verherrlicht."
Jürgen Zimmerer, Historiker

Auch in Deutschland stehen Denkmäler von Personen, die wir heute kritisch betrachten - anders als zu dem Zeitpunkt, zu dem sie aufgestellt wurden. Bismarck-Statuen zum Beispiel oder Ehrungen für Hermann von Wissmann, der eine bedeutende Rolle für den deutschen Kolonialismus gespielt hat.

Deutscher Unternehmer und Sklavenhändler

Heinrich Schimmelmann war ein Hamburger, dessen Geschichte der von Colston ähnelt. Ein reicher Unternehmer und Wohltäter, der sein Geld mit Sklavenhandel verdient hat. Um Straßenschilder mit seinem Namen gibt es bis heute große Diskussionen.

Jürgen Zimmerer sagt, dass es auch in vielen Kirchen Gedenktafeln gibt, die in irgendeiner Weise auf die Kolonialzeit verweisen. Meist fehle jedoch ein Hinweis, der die Tafeln in den entsprechenden Kontext setzt und erwähnt, dass es eben auch viele Opfer in den Kolonien und Kolonialkriegen gab.

"Man müsste so eine Statue, wie den Colston oder den Wissmann, nehmen und ihn hinlegen. Oder auf den Kopf stellen. So dass man es gar nicht übersehen kann."
Jürgen Zimmerer, Historiker

Der Historiker ist nicht der Meinung, dass wir alle Denkmäler und Gedenktafeln abreißen sollten. Er findet allerdings, dass wir deutlicher mit ihrem ursprünglichen Kontext brechen müssten. "Das ist aber nicht damit getan, eine kleine Schriftplakette irgendwo anzubringen", sagt Zimmerer. Stattdessen müsste deutlich gemacht werden, dass wir uns heute von den Ideen und Taten dieser Kolonialherren distanzieren, etwa indem wir Statuen dekonstruieren, auf den Kopf stellen oder deutlich kennzeichnen. Sofern das nicht passiere, würden wir Denkmäler, Statuen und Erinnerungstafeln weiterhin ihrer ursprünglichen, verherrlichenden Bedeutung überlassen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Historiker Jürgen Zimmerer zu umstrittenen Statuen
"Solange die Denkmäler ungebrochen stehen, wird dieses Weltbild weiter verherrlicht"
vom 08. Juni 2020
Gesprächspartnerin: 
Verena von Keitz, Deutschlandfunk Nova
Gesprächspartner: 
Jürgen Zimmerer, Historiker
Moderatorin: 
Sonja Meschkat