Autofreie Straßen für mehr Fußgängerinnen, breitere Radwege: Das Mobilitätsbild verändert sich durch die Corona-Krise rapide. Diese Struktur möchte die Initiative "Changing Cities" über die Krise hinaus behalten – auch wenn Autos dann nicht mehr in die Stadt passen.
Wenn wir gerade unterwegs sind, dann anders (und weniger) als noch vor der Corona-Pandemie. Es gibt weniger Verkehr, dafür laufen viel mehr Menschen zu Fuß oder fahren Rad.
"Es ist ein ganz anderes Gefühl, in der Stadt zu sein – weil es eben leerer ist."
"Wir erleben alle die Stadt neu", sagt Ragnhild Sørensen von der Initiative "Changing Cities". Es sei zum Beispiel viel leiser, auch die Luft ist besser geworden. Unterwegs gäbe es auch nicht mehr das gewohnte Aggressionsgefühl, weil das Verkehrstempo sich durch mehr Fußgängerinnen und Radfahrerinnen entschlackt habe, beschreibt die Aktivistin.
Darin sieht der Verein große Chancen für eine nachhaltigere Mobilität: "Wir brauchen plötzlich tatsächlich Platz", so Sørensen. Deswegen hat die Initiative die Petition "Faire Straßen" ins Leben gerufen, die einen Fokus der Verkehrsinfrastruktur auf Fußgängerinnen und Radverkehr statt auf Autos fordert. "Faire Straßen sind Straßen, wo es Platz für Menschen gibt" und wo man sich "Pandemie-sicher" bewegen kann, schildert Sørensen. "Weil viele Menschen diese beiden Verkehrsalternativen jetzt nutzen."
Langfristig mehr Raum für Rad- und Fußwege
Städte wie Mailand und Brüssel haben bereits erste Maßnahmen getroffen und provisorische Radwege angelegt. In New York City wurden ganze Straßen für Autos abgesperrt, damit Fußgängerinnen mehr Platz haben. Auch in Berlin gibt es vereinzelt sogenannte Pop-Up-Bike-Lanes – also relativ spontan eingerichtete Fahrradwege (zum Beispiel ist das eine Straßenspur nur für Räder).
Diese Veränderung sollte aber im Idealfall auch nach der Pandemie bestehen bleiben – auch wenn es erstmal Chaos zwischen Fußgängern und Autofahrern gäbe, die wieder mehr Straßenraum wollen. "Es ist eine Frage der Priorisierung", sagt Ragnhild Sørensen dazu. "Wir sind der Meinung, dass man für eine lebenswerte Stadt nachhaltig nicht so viele Autos haben kann." Da könnte durchaus zunächst Chaos entstehen, aber Veränderung bringe eben Chaos mit sich, meint die Aktivistin.
"Wir müssen langfristig gucken und uns fragen: Welche Art von Stadt wünschen wir uns?"
Zunächst geht es aber auch darum, Autofahrende zu überzeugen. Die sind schließlich immer noch in der Überzahl, laut Kraftfahrtbundesamt
besaßen 2019 rund 40 Millionen Personen in Deutschland einen Führerschein. "Langfristig geht es natürlich nur, wenn wir ein effektives ÖPNV haben, wenn wir Sharing-Modelle entwickeln", fordert Rganhild Sørensen. "Dass auch wirklich Alternativen zum Auto entstehen."
Das Auto sei laut Sørensen auch kein effizientes Verkehrsmittel. "Wir wissen: 96 Prozent der Zeit steht ein Auto einfach nur rum. Dass das keine effiziente Mobilität ist, und dazu auch noch eine sehr umweltschädliche, das sind Sachen, die müssen wir einfach ändern." (Das geht aus einer Untersuchung einer britischen NGO aus dem Jahr 2012 hervor).
"Changing Cities" will Mobilitätsprämie
In der Politik wird eine Autokaufprämie diskutiert. "Changing Cities" wünscht sich stattdessen eine Mobilitätsprämie, also Unterstützung nicht nur für Autofahrer, sondern auch für diejenigen, die "ein E-Bike kaufen wollen, eine BahnCard 100, ein Lastenrad, oder ein Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr." Damit würde man das Mobilitätsverhalten aller Menschen unterstützen.
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