Spinnennetze sind echte Wunderwerke. Und Spinnenseide ist ein echtes Hightech-Material: Mit der Seide der Goldenen Radnetzspinne aus Tansania lassen sich möglicherweise komplizierte Nervenverletzungen heilen.
In der Neurochirurgie wird gerade die Seide von Spinnen ziemlich abgefeiert. Konkret die Seide von Goldenen Radnetzspinnen aus Tansania. Ihre Netze sind so stark, dass sie von Fischern als Fangnetz verwendet werden. Und erste Studien legen nahe, dass die Fäden Potenzial haben, Schäden an Nerven und Gewebe zu beheben.
"Die Spinnenseide der Radnetzspinne ist reißfester als Nylon, viermal dehnbarer als Stahl und bis 250 Grad Celsius hitzestabil. Sie ist außerdem wasserfest und wirkt auch noch antibakteriell."
Diese Eigenschaften der Radnetzspinnenseide machen sie für die biomedizinische Forschung sehr interessant. Die Forscherin Christine Radtke, Professorin für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie an der Medizinischen Universität Wien, will Spinnenseide nutzen, um durchtrennte Nerven wieder zu verbinden.
Die Chirurgin hat mit Forschern der Medizinischen Hochschule Hannover eine neue mikrochirurgische Methode entwickelt, in der mit Spinnenseide gefüllte Venen als Überbrückungshilfe für durchtrennte Nerven dienen.
Wie Efeu an einem Rankgitter
Die Venen werden dabei auf der ganzen Länge von Tausenden Spinnenseidenfäden durchzogen und mit dem Nerv verbunden. Die Seidenfäden bieten für die wachsenden Nerven gute Haftbedingungen, sodass sie sich - ähnlich wie Efeu an einem Rankgitter - bis zum gegenüberliegenden Nervenende entlanghangeln können.
Spinnenseide hat Schafe wieder zum Gehen gebracht
In Tests mit Schafen hat die neue Technik schon erste Erfolge erzielt: Den Tieren wurden Nerven an den Hinterbeinen durchtrennt. Mit Hilfe der "Spinnenseidentechnik" konnten Nervenschädigungen von bis zu sechs Zentimetern überbrückt werden. Nach sechs Monaten konnten die Schafe wieder ganz normal laufen.
"Durch Melken der Spinnen werden innerhalb einer Viertelstunde 200 Meter Spinnseide gewonnen."
Um die Spinnenseide zu gewinnen, werden die Spinnen regelrecht gemolken: Sie werden mit dem Rücken zuunterst auf ein Stückchen Schaumstoff gebettet und dann mit Gaze so fixiert, dass nur noch die Spinndrüsen am Hinterleib frei sind. Anschließend wird der Spinnfaden, der immer ein winziges Stückchen aus der Spinndrüse herausragt, mit einer sehr feinen Pinzette gepackt und an einer Wickelmaschine befestigt.
Künstliche Haut mit Spinnenseide
Womöglich könnten die Fäden der Radnetzspinne auch beim Aufbau von künstlicher Haut helfen - die Forscher hoffen, so bald großflächige Verletzungen oder Verbrennungen der Haut besser heilen zu können.
Im Experiment in der Petrischale hat es schon funktioniert: Dabei wurden Hautzellarten auf ein engmaschiges Netz aus Spinnenfäden gelegt und mit Nährstoffen, Wärme und Luft versorgt. Auf diese Weise entstanden zwei übereinanderliegende, gewebeähnliche Hautflächen.