1,5 Meter müssen Fahrzeuge Abstand halten, wenn sie Radfahrer überholen. Aber passiert das auch? Der Berliner Tagesspiegel wollte Antworten und startete das datenjournalistische Projekt Radmesser. Die Ergebnisse sind erschreckend.
Mit Radmesser geht der Tagesspiegel der Frage nach, ob Fahrzeuge im Straßenverkehr eigentlich ausreichend Abstand halten, wenn sie Radfahrer überholen. Denn es gilt ein Mindestabstand von 1,5 Metern. Dieser wurde in Gerichtsverfahren festgelegt, in der Straßenverkehrsordnung ist er nicht explizit erwähnt.
Testfahrer mit Abstandssensoren
Für das Projekt Radmesser brauchte die Zeitung freiwillige Testfahrer. Die hatten bei ihren Fahrten einen Abstandsmesser dabei: eine kleine schwarze Box, in die drei Ultraschallsensoren verbaut sind. Zwei links und einer rechts. Die Sensoren messen im Durchschnitt rund 20 Mal pro Sekunde den Abstand zwischen den Testfahrern auf ihren Fahrrädern und überholenden Autos, Bussen, Motorrädern oder auch Lastern.
So kamen durch die Sensoren 46 Millionen Einzelmessungen zusammen. Die Testfahrer legten insgesamt 13.000 Kilometer zurück. Dabei wurden sie 17.000 Mal überholt.
Das Ergebnis ist erschreckend:
- Mehr als die Hälfte aller Autos, Laster, Busse und motorisierter Zweiräder überholten die Test-Radler mit einem zu engen Abstand. Die Hälfte der Fahrer hielten beim Überholen den Mindestabstand von 1,5 Metern nicht ein.
- Wenn auf dem Rad Kinder mitbefördert werden, liegt der Mindestabstand sogar bei zwei Metern. Dieser Abstand wurde bei den Testfahrten in 56 Prozent aller Messungen unterschritten.
- Bei knapp einem Fünftel der Überholvorgänge zogen die Autos mit nur einem Meter Abstand an den Fahrradfahrern vorbei.
Solche knappen Überholmanöver sind ein enormes Risiko für Radfahrer, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Martina Schulte.
"Diese geringen Abstände können für Fahrradfahrer sehr gefährlich werden."
Mehr Kontrollen könnten helfen und es gibt klare Bußgelder. Zu enges Überholen zum Beispiel kostet laut Bußgeldkatalog 30 Euro. Aber: Der Abstand bei Überholmanövern wird weder in Berlin noch in vielen anderen deutschen Städten kontrolliert.
Kontrollen sind schwierig
Doch hätte die Polizei alle Testfahrer des Projektes Radmesser lückenlos überwacht, dann wären Bußgelder in Höhe von 282.060 Euro fällig geworden, so der Tagesspiegel. Doch die Kontrollen sind aufwendig: Dazu müssten zum Beispiel Polizisten auf Rädern mit Abstandsmessern durch die Stadt radeln. Oder es bräuchte Kontrolltechnik.
Außerdem werden auch Kontrollen und Bußgelder allein kaum helfen, sagt Martina Schulte. Es braucht langfristige Lösungen.
"Mit den Kontrollen ist es nicht getan. Die Infrastruktur muss einfach anders aussehen als heute."
Erst eine verbesserte Infrastruktur kann die Situation nachhaltig ändern. Zum Beispiel, dass mehr Radwege von der übrigen Straße abgetrennt werden. Doch bis sich die Infrastruktur wirklich ändert, sind Radfahrer darauf angewiesen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer an die Regeln halten und Rücksicht nehmen. "Eine Aktion wie Radmesser hilft da sicherlich, das Bewusstsein zu schärfen", sagt Martina Schulte.
Mehr auf Deutschlandfunk Nova:
- Radfunk: Besser Radfahren | Was ihr als Radfahrer dürft und was nicht. Wie ihr eure Pedale am besten einstellt. Welches die gefährlichen Situationen im Verkehr sind und anderes. Im Radfunk räumen unsere Radreporter Paulus Müller und Klaas Reese mit Halbwissen rund ums Radfahren auf.
- Radfahrer schneller als Autos | Der Essenslieferservice Deliveroo hat die Daten seines Routing-Algorithmus ausgewertet. Danach sind Radfahrer schneller als Autos oder Motorräder.
- Fahrradfahren gegen Plastikmüll | Clara Bütow ist zwei Monate lang mit dem Fahrrad quer durch Europa gefahren, um auf Plastikmüll aufmerksam zu machen, den wir massenhaft produzieren.