"Ich bin nicht queer" hat Alice Weidel von der AfD gesagt. Die Aussage ist nicht so widersprüchlich, wie viele zunächst denken, erklärt die Journalistin und Aktivistin Leonie Löwenherz. Denn zur queeren Community gehöre Weidel nicht – auch wenn sie lesbisch ist.
"Ich bin nicht queer, sondern ich bin mit einer Frau verheiratet, die ich seit 20 Jahren kenne. Wir haben zwei gemeinsame Kinder."
Im Netz haben sich viele Nutzer*innen über diese Aussage Alice Weidels im ARD-Sommerinterview lustig gemacht. Das ging dann so in die Richtung wie: "Ich bin nicht besoffen Auto gefahren, ich habe nur unter Aperitiveinfluss ein Kraftfahrzeug gelenkt!". Und auf den ersten Blick wirkt der Satz ja tatsächlich widersprüchlich: Wie kann eine Frau mit einer Frau zusammenleben und Kinder haben, ohne queer zu sein?
Die Bedeutung des Wortes "queer"
Das geht aber sehr wohl, sagt etwa die Journalistin Leonie Löwenherz. Die Tochter eines AfD-Mitglieds ist lesbisch – und Mitglied der queeren Community. Auf Social Media klärt sie unter anderem über die Themen genau dieser Community auf.
"Der Begriff queer bedeutet eben mehr als eine sexuelle Orientierung."
Die Journalistin kann die Aufregung um Weidels Aussage nicht verstehen. Mehr noch: Sie stimmt der AfD-Politikerin in diesem Punkt sogar zu 100 Prozent zu. Denn Queerness sei eben mehr als eine sexuelle Orientierung.
Queerness sei ein historisch gewachsener Begriff aus dem englischsprachigen Raum. Früher wurde "queer" als Beleidigung benutzt – inzwischen sei der Ausdruck aber eben von den lauten, bunten und aktivistischen queeren Community zurückgeholt und neu besetzt worden.
"Ja, wir sind halt schräg. Das ist das, wer wir sind."
Queer bedeute eigentlich ein bisschen "daneben" oder "schräg" – und die Community, zu der sie gehört, sage genau das: Ja, wir sind halt schräg. So sei der Begriff queer als Schirmbegriff für LGBTQI+ Personen historisch gewachsen.
Ein politisch besetzter Begriff
Gleichzeitig ist "queer" auch zu einem politischen begriff geworden: Queer stehe nicht nur für eine sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität, sondern eben auch dafür, dass da "ein politischer Aspekt in der Identität" mitschwingt, sagt Leonie Löwenherz.
"Ich würde nicht sagen, dass Alice Weidel zu dieser Community gehört, weil sie tut ja mit ihrer Partei alles, um uns in den Rücken zu fallen."
Wer sich als queer bezeichnet, sagt damit: Ich gehöre zu einer Community. Ich stehe hinter dieser Community und ich setze mich für die Rechte dieser Community ein.
Genau das mache Alice Weidel aber nicht, so die Journalistin. Im Gegenteil: Die offen lesbische Politikerin und ihre Partei, die AfD, setzten sich explizit gegen die Belange der queeren Community ein. Aus diesem Grund grenze sich Weidel zu Recht davon ab, auch wenn das in gewisser Weise paradox scheint.