Bei minus 26 Grad durch Norwegen zu wandern, ist eine ziemlich extreme Erfahrung. Frieda hat sie mit ihrer Mutter gemacht. Wir wir es schaffen, uns auf besondere Momente mit unseren Eltern einzulasssen, erklärt die systemische Therapeutin Genia Loose.
Eigentlich wollte Frieda nach dem Abi ganz alleine los: mit dem Zelt durch Norwegen – ganz hoch bis in den Norden zum Polarlichter Gucken. Als ihre Mutter Charlotte von dem Plan erfuhr, rief sie begeistert: "Da komme ich mit!" Als Frieda damit einverstanden war, war sie ziemlich erstaunt.
In Stressmomenten füreinander da sein
Im Nachhinein, da ist sich Friedas Mutter sicher, hätte ihre Tochter die Tour nicht alleine geschafft. Das liegt aber nicht daran, dass sie an ihrer Tochter zweifelt, sondern daran, dass dieser "Urlaub" extrem war und beide Reisenden an ihre Grenzen – und in Gefahrensituationen – brachte.
"Auf der Reise habe ich mich nicht als Mutter gefühlt. Wir waren zwei Leute, die sich unglaublich gut kennen und voneinander wissen, wie sie im Stress reagieren."
Die beiden reisten mit Bus und Bahn, einen Teil der Strecke wanderten Mutter und Tochter aber auch. Sie waren in aller Einsamkeit, Dunkelheit und Kälte draußen. Als Schutz hatten sie nur ihr Zelt. Einen Monat lang waren sie unterwegs – bei Temperaturen zwischen plus zwei und minus 26 Grad.
Als Charlotte nachts im eisigen Zelt die Wärmflasche im Schlafsack ausgelaufen war und sie heulend dasaß, versuchte Frieda, eine Lösung für die Situation zu finden. Als Frieda ihren Freund vermisste, setzte sich Charlotte einfach neben sie, war für sie da. Die Verbindung der beiden beruht auf Gegenseitigkeit, sagen sie.
Realitycheck als Voraussetzung für eine gute Zeit
Je extremer die Reise, desto besser sollte die Verbindung zwischen denen sein, die gemeinsam unterwegs sind. Das gilt für alle, die zusammen reisen, sagt die systemische Therapeutin Genia Loose – also auch für erwachsene Kinder und ihre Eltern. Bei der Konstellation kommt noch hinzu, dass wir neben dem Altersunterschied auch noch verschiedene Verhaltensmuster, Glaubenssätze und Erinnerungen "mitschleppen".
"Selbst an den schönsten Palmenstrand nehmen wir die Konflikte mit unseren Eltern mit."
Eine gute Verbindung lebt von gegenseitiger Akzeptanz
Wer auf engsten Raum zusammen unterwegs ist, wird Konflikte nicht vermeiden können, sagt die Therapeutin. Damit diese nicht eskalieren, sei es hilfreich, sich vorab über die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen klar zu werden. Wenn Kinder mit ihren Eltern hauptsächlich deswegen verreisen, weil diese die Reise bezahlen, könnte das als Grund, einige Tage miteinander auszukommen, nicht stark genug sein, gibt Genia Loose zu bedenken.
"Wenn wir miteinander über unsere Erwartungen sprechen, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass wir im Nachhinein nicht total enttäuscht sind."
Um eine besondere Zeit mit den Eltern zu verbringen, müssen wir aber nicht zwingend mit ihnen verreisen, sagt Genia Loose. Quality Time kann auch entstehen, wenn wir uns mit den Eltern treffen, auf der Couch sitzen und reden – vielleicht aber eben mal ohne Handy und ohne noch nebenbei rumzuräumen. Denn dann könnten wir uns auf unsere Mutter oder unseren Vater besser einlassen. Und in diesem lapidaren Moment, wie Gena Loose ihn nennt, entsteht womöglich diese tiefe Verbindung, die sich beide Seiten insgeheim wünschen.
Meldet euch!
Ihr könnt das Team von Facts & Feelings über WhatsApp erreichen.
Uns interessiert: Was beschäftigt euch? Habt ihr ein Thema, über das wir unbedingt in der Sendung und im Podcast sprechen sollen?
Schickt uns eine Sprachnachricht oder schreibt uns per 0160-91360852 oder an factsundfeelings@deutschlandradio.de.
Wichtig: Wenn ihr diese Nummer speichert und uns eine Nachricht schickt, akzeptiert ihr unsere Regeln zum Datenschutz und bei WhatsApp die Datenschutzrichtlinien von WhatsApp.
- Frieda ist mit ihrer Mutter durch die norwegische Arktis gewandert
- Therapeutin Genia Loose über die Bedeutung von Quality Time mit den Eltern