Fünf Minuten sind ja noch okay, aber mehr bitte nicht. Wir Deutschen haben den Ruf, extrem pünktlich zu sein. Nur die Schweizer gelten vielleicht als noch etwas krasser. Warum eigentlich ist uns Pünktlichkeit so extrem wichtig?
Jeder, der viel Bahn fährt, kennt die Situation: Wir stehen am Bahnsteig, der Zug sollte eigentlich gleich einfahren. Und dann ploppt auf den Abfahrtstafeln auf einmal diese Anzeige auf: Fünf Minuten Verspätung. Zehn Minuten Verspätung. Zwanzig Minuten. Die Gründe sind vielfältig. Fest steht, dass nicht nur wir, sondern auch viele andere Wartende sehr ungeduldig werden.
"Oft dominiert da das Gefühl der Ohnmacht: Ich kann das nicht beeinflussen. Ich kann auch nichts dazu sagen, außer schimpfen."
Wir nehmen es persönlich, wenn uns jemand warten lässt - seien es die Bahn oder eine gute Freundin. Wenn wir es genauer analysieren, kann die Unpünktlichkeit natürlich Vieles bedeuten. Wir können es zum Beispiel als Machtdemonstration werten: "Ich bin wichtig, ich habe die Macht, mit dir zu machen, was ich will" - diese Aussage steckt indirekt im Zuspätkommen.
Unpünktlichkeit kann auch Nachlässigkeit signalisieren oder Geringschätzung: "Du bist nicht wichtig." Unpünktlichkeit sagt was über die Beziehung und über den Wert des Wartenden aus.
Unpünktlichkeit nehmen wir persönlich
Auf der anderen Seite liegt die Bewertung einer Unpünktlichkeit auch bei den Wartenden. Wie schwer nehme ich es, wenn jemand mal wieder zu spät kommt? Da gibt es die ganze Bandbreite, von Schulterzucken bis zur zwanghaften Persönlichkeitsstörung, erklärt Martin Keck.
"Die Extremvariante: Jemand, der immer sehr genau ist und sehr schnell nervös wird, wenn die Dinge nicht ganz akkurat nach seinen Vorstellungen ablaufen."
Warum das so ist? Wir klassifizieren Situationen und haben immer eine genaue Vorstellung, wie etwas ablaufen soll, sagt Martin Keck. Wenn wir jetzt von klein auf gelernt haben, dass Pünktlichkeit enorm wichtig ist, dann tragen wir dieses Schema möglicherweise ein Leben lang mit uns herum. Und wenn etwas nicht so läuft, wie wir es uns vorstellen, dann reagieren wir emotional.
"Dann entstehen Ärger, Wut und Ähnliches und man fragt sich dann oft: Warum reagiert man überhaupt so heftig, ist ja gar nicht so schlimm. Aber das liegt eben an diesen neurobiologischen Dingen, die wir Schema nennen."
Am Ende hat das Thema Pünktlichkeit auch eine kulturelle Seite: Wenn eine Gesellschaft großen Wert auf Genauigkeit und Pünktlichkeit legt, dann kann das über Generationen hinweg prägen. Im preußischen Kaiserreich zum Beispiel galt Pünktlichkeit als Tugend.
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