Sich als Lifestyle-Influencer für die Umwelt einsetzen? Nicht immer einfach. Schnell kommt der Vorwurf der Doppelmoral. Psychologin Franziska Koletzki-Lauter sagt: Bei der Kritik geht es oft um die eigene Moral der Kritiker.
Sinnfluencer – also Menschen, die ihre große Reichweite dazu nutzen, um für Dinge wie etwa Nachhaltigkeit oder Klimaschutz zu werben – werden häufig besonders stark hinterfragt. Unauthentisch sei dieses Engagement, heißt es schnell. Und wehe, es passiert ein Fehler und die Person trinkt doch mal Kaffee aus einem To-Go-Becher!
"Auch die kleinen Fehler werden rausgepickt. Und das machen Leute, um sich gegen die vermeintliche überlegene Moral zu wehren."
Franziska Koletzki-Lauter betreut Influencer, die psychologischen Rat suchen wenn sie Kritik und Hass im Netz ausgesetzt sind. Es ist nicht einfach, den auf Instagram herrschenden Druck auszuhalten und sich keinen Fehler erlauben zu können, sagt die Psychologin.
Der häufige Vorwurf: Die Influencer, die sich öffentlich für etwas einsetzen, würden das Enagement ihren Followern nur vorheucheln und mit zweierlei Maß messen.
Warum kritisieren wir engagierte Influencer für ihre Moral?
Menschen würden es besonders schlimm finden, wenn sie das Gefühl bekommen, dass ihnen etwas vorgeheuchelt wird, betont die Psychologin. Wenn jemand sich für Umweltschutz einsetzen würde und im Wald seinen Plastikmüll entsorgen würde, würden wir diese Doppelmoral schlimmer finden als wenn eine Person das öffentlich macht, der die Umwelt egal ist.
Während wir der Person mit vermeintlicher Doppelmoral Greenwashing vorwerfen würden, kämen wir mit der Moral der als ehrlich erscheinenden Person besser klar, obwohl sie moralisch das Schlechtere tut, so Franziska Koletzki-Lauter.
Dass Menschen nicht alles perfekt meistern, fiele uns manchmal schwer einzusehen. Besonders bei Influencern sei das so. Daran müssten wir arbeiten und deren Engagement wertschätzen, appelliert die Psychologin.
"Das große Problem ist, dass wir es schwer verkraften können, dass Leute sich für Umweltschutz einsetzen und gleichzeitig nicht alles perfekt machen."
Die kritisierenden Menschen wollen sich gegen die moralische Überlegenheit der Influencer wehren, die sie bei Posts fühlen, so Franziska Koletzki-Lauter. Es sei soziologisch sogar bewiesen, dass wir, wenn wir uns moralisch unterlegen fühlen, versuchen, der vermeintlich überlegenen Person ihre Legitimation abzusprechen. Wenn man die Influencer kritisiert und entwertet, müsse man sein eigenes Verhalten dabei nicht reflektieren, erklärt die Psychologin den Machanismus.
Vorwurfsvolle Kommentare wie "Du setzt dich vielleicht für Nachhaltigkeit ein, aber man sieht die Plastikflasche im Hintergrund"" würden das ursprüngliche Engagement ja trotzdem nicht entkräften, macht Franziska Koletzki-Lauter deutlich.
Schließlich könnten Menschen dazu aufrufen, Plastik zu reduzieren, auch wenn sie nicht komplett plastikfrei leben. Die auf Fehler gepolte, nicht ganz schlüssige Gegenargumentation nennt man in der Psychologie das Ad-Hominem-Argument, was wir umgangssprachlich auch als Whataboutism bezeichnen.
"Niemand mag es, moralisch unterlegen zu sein."
"Jede Öffentlichkeit macht einen angreifbar", macht Franziska Koletzki-Lauter ihren Klienten bewusst.
Dazu komme aber auch die Tatsache, dass es sich bei den entwertenden Stimmen meist um eine kleine, aber sehr laute Minderheit handelt. Diese Kritik zuzulassen sei wichtig, so die Psychologin: "Für konstruktive Kritik kann man sich ja sogar bedanken." Trotzdem sollte man sich nicht von den Worten treffen lassen – und schon gar nicht deswegen aufhören, sich für eine gute Sache zu engagieren: "Es ist immer noch besser, und moralisch auch hochwertiger, sich trotzdem dafür einzusetzen."
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