Der Tönnies-Skandal zeigt uns das, was wir beim Fleischkauf ignorieren wollen: Die schlechten Bedingungen für Tiere und Arbeitende. Tamara Pfeiler erklärt, wieso unser Gewissen damit klarkommt.
Eine 250-Gramm-Packung Hackfleisch für weniger als 1 Euro, 500 Gramm Hähnchenflügel für 1,95 Euro oder das Rinder-Hüftsteak für 3,80 Euro: Das sind Discounter-Fleischpreise. Dass diese Preise nur mithilfe von Dumpinglöhnen und schlechter Tierhaltung gehalten werden können, wird den meisten wohl klar sein. Trotzdem greifen viele oft und gerne zu.
Ist Fleischkonsum zu normal geworden?
Das basiert vor allem darauf, dass Fleischessen eine starke Gewohnheit in unserer Gesellschaft ist, sagt Tamara Pfeiler, die zur Psychologie von Fleischkonsum forscht. "Wir alle sind daran gewöhnt worden, dass Fleischessen als selbstverständlich angesehen wird", so die Psychologin und meint damit die Tatsache, dass wir seit dem Kindergarten vermittelt bekommen, dass Fleisch lecker, gesund und wichtig ist.
"Es hat sich eigentlich keiner von uns bewusst dafür entschieden, Fleisch zu konsumieren", stellt Tamara Pfeiler fest. Deswegen sei den meisten auch nicht wirklich bewusst, dass sie eine freie Wahl haben, sich für oder gegen das Fleischessen zu entscheiden.
"Den meisten Leuten ist nicht bewusst, dass sie eine freie Wahl haben, ob sie Fleisch essen möchten, oder nicht."
Aus diesem "dominanten Überzeugungssystem" lassen sich unterschiedliche Rechtfertigungen ableiten, so Tamara Pfeiler. Dabei gibt es einen Unterschied, ob man sich generell mit dem Thema auseinandersetzt, oder ob man sich auf das persönliche Verhalten bezieht. "Wir können sehr wohl im Allgemeinen Dinge ablehnen, und wenn es um das eigene Verhalten geht, dann kommen eben diese Rechtfertigungen", merkt die Psychologin an.
Eine beliebte und einfache Rechtfertigung fürs Fleischessen ist, dass es eben sehr gut schmeckt. "Was schmeckt gut? Es schmeckt das gut, was wir gewohnt sind", sagt Tamara Pfeiler dazu.
Aus dieser Gewohnheit geht die Legitimation der drei Ns hervor: Fleisch essen ist normal, natürlich und notwendig. "Es gibt überall die Norm, dass Fleisch, Wurstwaren, tierische Produkte zu einer normalen Ernährung dazugehören", sagt die Psychologin.
"Der Konsum von Fleisch wird immer gerechtfertigt."
Bewegt man sich außerhalb dieser Norm, wird es schwer – denn Vegetarier und Veganer zeigen anderen, dass man sich bewusst auch gegen den Fleischkonsum entscheiden kann. Deswegen müssen sie auch viele Witze und Diskussionen zu ihrer Ernährung ertragen.
Dabei kommt man schnell auch zu der Frage: Haben wir als Menschen das Recht, andere Lebewesen zu töten? "Es gibt einen ganz starken moralischen, ethischen Konflikt bei dem Thema", sagt Tamara Pfeiler.
Fleischessen hat auch etwas mit Geschlecht zu tun
Die Fleisch-Norm hat auch eine Geschlechter-Komponente, sagt die Psychologin: Das archetypische Männerbild, das mit Hierarchie, Kraft und Dominanz verbunden wird, ist auch ans Fleischessen geknüpft. "Da wird einem nochmal ganz deutlich bewusst, dass der Konsum von Fleisch mit Macht einhergeht", so die Forscherin.
Gleichzeitig wird dieses Bild im Tierreich nicht unbedingt bestätigt: Der große, starke Elefant ist ein Pflanzenfresser. Das ist für Tamara Pfeiler ein Beispiel dafür, "dass es biologisch nicht bedingt, dass man andere Lebewesen isst, um viele Muskeln aufzubauen. Aber dieses Vorurteil hält sich sehr hartnäckig unter uns Menschen."
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