Viele Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens psychisch. Doch professionelle Hilfe zu finden, ist oft schwer. Apps und Online-Therapien können helfen – auch wenn sie das empathische Gespräch mit einem Therapeuten (noch) nicht ersetzen können.

Thomas hat eine Depression. Seine Tochter studiert Psychologie und motiviert ihn, Hilfe zu suchen. Doch das ist nicht so leicht: Zwar findet Thomas einen Therapieplatz, aber bis zum ersten Termin dauert es noch Wochen. Deshalb will er herausfinden, was er zusätzlich für sich tun kann – und landet schließlich beim Thema Künstliche Intelligenz.

"Wenn man das Gefühl hat, akut in eine Notwendigkeit rein zu rutschen, dass man jemanden braucht, der einem hilft, kommt eine Wartezeit von einem Monat schon extrem schlimm."
Thomas, wartet auf einen Therapieplatz

Jeden Tag trägt Thomas nun seinen Gemütszustand in drei kostenlose Apps ein, die das mithilfe von KI analysieren und ihm Ratschläge geben. Die Tipps gleicht Thomas ab und überlegt, was ihm sinnvoll erscheint.

Um Erlerntes aus einer Therapie oder Beratung zu Hause weiter anzuwenden, eignet sich KI sehr gut. Aber: Wissenschaftlich begründet oder validiert sind diese Apps meistens nicht, sagt der Psychologe Janik Fechtelpeter vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit.

"Super wenig davon ist tatsächlich eine offizielle Gesundheitsanwendung, die von Krankenkassen verschrieben werden kann."
Janik Fechtelpeter vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

Janik und sein Team arbeiten an einer App, die Kinder und Jugendliche davor schützen soll, eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Die Anwendung ähnelt der, die Thomas nutzt: Mehrmals am Tag fragt sie die Stimmung ab und schlägt aufgrund der Vorhersage der KI Interventionen vor.

Einfache Apps für Erste Hilfe

Erste Studienergebnisse zeigen: Wenn die Technologie Übungen auswählt, hilft das mehr, als wenn keine KI eingesetzt wird. Aber es zeigt sich auch: Noch gibt es viel zu wenige aussagekräftige Studien über die Wirksamkeit. Das bestätigt auch der klinische Psychologe Mirza Jahanzeb Beg aus dem südindischen Coimbatore, der in einer Übersichtsstudie analysiert hat, wo und wie KI in der Psychotherapie eingesetzt wird.

“KI kann komplexe psychische Probleme noch nicht so wie ein menschlicher Therapeut behandeln."
Mirza Jahanzeb Beg, Psychologe am Kumaraguru College of Liberal Arts and Science in Coimbatore

Das Feld steht also noch am Anfang, während der Bedarf an Therapieplätzen täglich wächst. Dabei macht Not auch erfinderisch, erzählt Forscher Steven Siddals vom King’s College in London: “Obwohl Chat-GPT und Co. nie für die Therapie konzipiert wurden, stellt sich heraus, dass sie Unglaubliches bewirken, wenn man versucht, sie für die Therapie einzusetzen."

Der Chatbot als Therapeut?

Fasziniert von der Idee, einfache Chatbots als Ersatz-Therapeuten zu nutzen, befragt Steven Siddals Menschen auf der ganzen Welt. Die wichtigsten Erkenntnisse seiner Studie: Von den Chatbots fühlen sich Menschen nicht vorverurteilt, sie geben wertvolle Ratschläge und sind jederzeit erreichbar – im Gegensatz zum Therapeuten. Und das alles, obwohl KI keine Gefühle besitzt, keine Empathie, die für den Therapieerfolg normalerweise wichtig ist.

"Der Chatbot wird nicht mit Tränen in den Augen vor mir sitzen. Aber spielt das eine Rolle, wenn die Reaktionen, die es mir gibt, genau das sind, was ich hören muss und mir hilft?"
Steven Siddals vom King’s College in London

Mittlerweile wird KI immer besser darin, menschliche Empathie zu imitieren. Doch auch hier fehlt es noch an grundlegender Forschung zum Nutzen und Schaden von Chatbots als Therapeuten – vor allem, wenn sie von privaten Unternehmen stammen. Auch der Datenschutz ist ein großes Problem.

Thomas aber helfen seine Apps sehr, sagt er, und rät dazu, bei der Benutzung ehrlich mit sich selbst zu sein.

"Je ehrlicher man mit sich selbst ist, umso verlässlicher sind dann auch die Ergebnisse von so einer App."
Thomas, wartet auf einen Therapieplatz

Dieses Thema belastet oder betrifft dich und du suchst weitere Hilfe? Hier findest du eine Übersicht zu Hilfsangeboten.

Shownotes
Psychische Erkrankungen
Was Künstliche Intelligenz in der Therapie kann
vom 05. Februar 2025
Autorin: 
Carina Schroeder