Durch die Sequenzierung des menschlichen Genoms sind Forscher inzwischen besser in der Lage, psychische Störungen zu erforschen. Davon handelt der Vortrag des Humangenetikers Markus Nöthen.
Die eine trifft es, den anderen nicht. Der eine erkrankt an einer schweren Depression, die andere an Schizophrenie. Wieder andere sind ihr Leben lang nicht davon betroffen, obwohl auch sie vielleicht die Veranlagung dafür in sich tragen. Bis etwa 2005 rätselten Forscher noch ergebnislos, warum das so ist. Allmählich lichtet sich das Dunkel.
Ganz entscheidend dafür war die Sequenzierung des menschlichen Genoms. Seitdem sind die Wissenschaftler in der Lage, bestimmte Genvarianten beim Menschen systematisch zu analysieren. Wenn sich mehrere Risikostellen im Genom einer Person finden lassen, steigt die Wahrscheinlichkeit zu erkranken.
Anders als beim Beinbruch oder einer Grippe gibt es jedoch keinen medizinischen Beweis, mit dem psychiatrische Erkrankungen definitiv festgestellt werden können.
"Das Problem ist, dass man die Diagnose auf der Basis von Symptomen stellt. Es gibt leider keinen Labortest zur Bestätigung der Diagnose."
Der Direktor des Humangenetischen Instituts der Universität Bonn, Markus Nöthen, spricht deshalb weniger von Bezeichnungen wie Schizophrenie, sondern lieber von sogenannten Spektrums-Definitionen, mit denen sich derartige Krankheiten besser beschreiben lassen. Ein Grund sei auch, dass sie sich nicht bei jedem Erkrankten identisch auswirken, sondern in individuellen Formen und Erscheinungen auftreten.
Schizophrene Störungen erleidet etwa ein Prozent der Bevölkerung, Depressionen etwa 10 bis 15 Prozent. Markus Nöthen berichtet außerdem darüber, dass manche der psychiatrischen Erkrankungen mehr Frauen als Männer betreffen oder umgekehrt. Interessant ist auch, dass die Verwandtschaft zwischen den Krankheitsbildern recht hoch ist, so dass es zwischen ihnen auch zu Wechseln kommen kann:
"Auch ein Wechsel von einer depressiven beziehungsweise bipolaren Störung zu einer schizophrenen Störung ist möglich."
Markus Nöthen hat in der Reihe "exkurs" der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn gesprochen. Sein Vortrag über den aktuellen Forschungsstand am 21.3.2018 trug den Titel "Psychiatrische Erkrankungen - Welche Rolle spielen die Gene?"
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