Jedes Jahr kommen hierzulande in etwa so viele Menschen gegen ihren Willen in die Psychiatrie, wie in einer mittleren deutschen Kleinstadt leben. Tatsächlich oder vermeintlich zu ihrem eigenen Wohl oder zum Schutz anderer werden psychisch Erkrankte in ihrer Selbstbestimmung beschnitten.
Die juristischen Grundlagen dafür sind aber alles andere als unstrittig. Und auch ethisch sind viele Fragen offen.
Laut Bundesamt für Justiz wurden in Deutschland im Jahr 2015 knapp 150.000 Zwangseinweisungen in Psychiatrien gerichtlich genehmigt oder angeordnet. Auch wenn der Gedanke hinter solchen Maßnahmen sinnvoll ist und sie manchmal nicht zu vermeiden sind, muss uns trotzdem bewusst sein: Zwangsmaßnahmen hebeln Grundrechte aus.
"Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass jeder medizinische Eingriff gegen den natürlichen Willen einer Person ein tiefer Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person ist."
Die Grenzen für die Rechtfertigung von Zwangseinweisungen und Zwangsbehandlung sind sehr eng gesteckt. Grundsätzlich sind solche Maßnahmen in der Psychiatrie nicht erlaubt. Sie werden nur dann genehmigt, wenn Patienten sich selbst oder anderen gefährlich werden könnten. Allerdings ist das in der Praxis ein problematischer Prozess.
"Der Arzt, der die Behandlung durchführen möchte, entscheidet letztendlich auch darüber, ob der Patient einwilligungsfähig ist oder ob er nicht einwilligungsfähig ist."
Unter welchen Bedingungen darf ein Patient gegen seinen Willen in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden? Wann dürfen psychisch Erkrankte gegen ihren Willen behandelt werden? Diesen Fragen gingen am 13. Dezember 2016 die Juristin Tanja Henking von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und der Medizinethiker Alfred Simon, Wissenschaftlicher Leiter der Akademie für Ethik in der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen, nach.
"Wir sollten uns verstärkt Gedanken darum machen, wie und wann Zwang eingesetzt wird ."
"Gesetzliche Rahmenbedingungen der Aufklärung und Einwilligungsfähigkeit von psychiatrischen Patienten " und "Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie: Ein ethisches Dilemma" hießen ihre Vorträge, die sie im Rahmen der Ringvorlesung "Der ganz normale Wahnsinn? Psychische Erkrankungen als gesellschaftliche Aufgabe" des Cologne Center of Rights, Economics and Social Sciences of Health (ceres) gehalten haben.
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