Lügen wie gedruckt – es gibt Menschen, die können nicht anders. Sie erfinden ein Leben, das sie nicht haben, um interessanter zu sein. Hinter so einer "Pseudologia phantastica" steckt oft ein mangelnder Selbstwert.
Wir alle lügen mal. Ständig und immer lügen müssen, ist aber eine Sache, die sehr selten vorkommt. Psychologen nennen das "Pseudologia phantastica".
"Dieses zwanghafte Lügenerzählen kommt in Zusammenhang mit Persönlichkeitsstörungen vor. Vor allen Dingen, wenn dahinter eine tiefgreifende Selbstwertproblematik liegt."
Die Betroffenen haben oft das Gefühl, ohne diese ganzen phantastischen Geschichten, die sie erfinden, nicht interessant genug zu sein, erklärt die Psychologin Franca Cerutti. Sie erzählen Geschichten von einem Leben, das sie gerne hätten. Und das tun sie so glaubhauft und geschickt, dass ihnen sehr viele Menschen das abkaufen.
"Sie fabulieren so eine Art Paralleluniversum und phantasieren sich selbst auch ganz stark hinein."
Für Freunde oder auch Angehörige kann es schmerzhaft sein, wenn sie erkennen, dass sie einem Lügenmärchen aufgesessen sind. Und tatsächlich sind solche zwanghaften Lügen schwer zu durchschauen.
Auf Anhieb durchschaut man die Lügengespinste nicht
Es kann aber sein, so Franca Cerutti, dass man irgendwann bemerkt, dass die Geschichten, die erzählt werden, hier und da auseinandergehen oder nicht ganz stimmig sind. Oder man denkt nach einer Zeit: "Das alles kann unmöglich einem Menschen passieren, das kann nicht sein."
"Es gehnt nicht um ein bisschen lügen, mal hier mal da. Es geht darum, dass die Betroffenen ganze Existenzen erfinden oder auch ganze Krankengeschichten."
Wer zwanghaft lügt, der schreckt auch vor kruden Lügengeschichten nicht zurück. Möglicherweise wird eine ganze Krankengeschichte erfunden. Oder Schicksalsschläge, ein Job, eine Familie, die man nicht hat.
Behutsam das Gespräch suchen
Seinem Bauchgefühl bei Zweifeln nachzugehen, sei daher richtig, meint die Expertin. Allerdings sollte man behutsam vorgehen, wenn man das Gespräch suchen will. Denn: Den Betroffenen sei völlig klar, dass sie lügen. Und oft schämen sie sich extrem dafür. Daher kann es passieren, dass "wenn man eine Lüge aufdeckt oder anspricht, sie einfach reflexhaft wieder eine neue Lüge erfinden", so Franca Cerutti.
"Es ist nicht so, dass Menschen mit einer Pseudologia phantastica ihre Lügen selber glauben."
Anklagen oder Vorwürfe führen daher eher nicht zu einem klärenden Gespräch, sagt die Psychologin. Besser sei es, behutsam zu fragen: "Warum machst du das?" und keinen weiteren Druck aufzubauen.
Die Lügenmärchen zu beenden, fällt schwer
Für diejenigen, die zwanghaft schon lange Zeit lügen, sei es sehr schwer, ihr Verhalten wieder zu ändern, sagt Franca Cerutti. "Sie begeben sich auch selten in Therapie, weil sie sich halt so sehr schämen." Doch genau das sei wichtig. Denn hinter dem Phänomen liege eben häufig eine Selbstwertproblematik - und es lohne sich, an seinem Selbstbewusstsein zu arbeiten, mit dem Ziel, sich selbst und sein eigenes Leben, so wie es ist, zu akzeptieren und wertzuschätzen.