Ein Kunstwerk, geschaffen vor Jahrtausenden oder während der Nazi-Zeit - immer stellt sich die Frage: Befindet es sich heute in rechtmäßigem Besitz? Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy erklärt in ihrem Vortrag, warum die Provenienzforschung von Bedeutung ist.
Bénédicte Savoy lehrt
Kunstgeschichte der Moderne.
an der Technischen Universität Berlin. Eines ihrer Spezialgebiete ist die Herkunfts- oder Provenienzforschung. Sie sagt: Wir müssen wissen, wer ein Werk geschaffen hat, wem es danach gehört hat, wer es unter welchen Umständen weiterverkauft oder verschenkt hat, durch welche Hände es ging, wer es öffentlich gezeigt und wer es im Tresor gebunkert hat.
Kunst mit Beipackzettel
Die Antworten auf solche Fragen sind genauso wichtig wie das Kunstwerk selbst. Und: Die teils verschlungenen Vorgeschichten müssen mitausgestellt werden. Sie erzählen von historischen Kraftverhältnissen, von Ungerechtigkeit und Gewalt. Und sie kritisiert, wenn das vergessen wird.
"Provenienz-Amnesie als Programm."
Bénédicte Savoy war bis zum Sommer 2017 Mitglied des Expertenbeirates für das geplante Berliner Humboldt Forum. Dann ist sie ausgetreten und hat ihrem Frust in der Süddeutschen Zeitung Luft verschafft. Dem gesamten Projekt mangele es an "Transparenz, Teamgeist und Verantwortung", sagt sie. Dabei sind das die Werte, die sie für die künftige Ausstellung in dem wiederaufgebauten Berliner Stadtschloss einfordert.
"Es ist eine Gemengelage aus Provenienz, Provenienz-Amnesie, gutem Willen, Nichtwissen- oder Nichtssagen-Wollen, die mich ganz sicher geprägt hat."
Während die Arbeit an einem Konzept für das Humboldt Forum stockt, wählt Frankreich einen anderen Weg: Im November 2017 hat der französische Präsident Emmanuel Macron vor Studierenden in Burkina Faso gesagt, seine Nation müsse aus Afrika geraubte Kunstwerke zurückgeben. Savoy arbeitet jetzt mit an einem Konzept, um diesen Plan umzusetzen.
"Im Namen der deutsch-französischen Freundschaft wird die eigentliche Geschichte dieses Raubes nicht erzählt."
Wieso ihr die Provenienzforschung wichtig ist, beschreibt sie in ihrem Vortrag "Warum und zu welchem Zweck studiert man Provenienz?". Sie erklärt, wie die Themen Kunstraub und Restitution 1978 langsam durch den senegalesischen Unesco-Generaldirektor Amadou-Mahtar M'Bow ins Bewusstsein gerückt wurden. Und wie diese Themen auch innerhalb der deutsch-französischen Freundschaft verschwiegen wurden wie ein schmuddeliges "Familiengeheimnis".
Gehalten hat sie den Vortrag im Rahmen der Tagung "Der komplexe Faden der Herkunft", einer gemeinsamen Veranstaltung des Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin, am 13. Dezember 2017 in Berlin.
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