Er hat irgendetwas, das andere nicht haben. In Zeiten von E-Commerce und mobilem Surfen erlebt er eine Renaissance. Der Ikea-Katalog ist nicht totzukriegen. Was ist das Erfolgsrezept dahinter?
Ikea weiß ganz genau, dass die Kunden den Katalog lieben, sagt Verena Gründel vom Verlag Werben und Verkaufen. Viele hätten eine geradezu emotionale Bindung zu ihm aufgebaut. Der Katalog werde im Wohnzimmer konsumiert, in einer Wohlfühlumgebung, wie ein hochwertiges Magazin, das man abonniert hat oder sich mal am Kiosk gönnt.
"Die Kunden lesen den Katalog wie eine Art Magazin bei einer Tasse Tee oder Kaffee auf dem Sofa."
Das Geheimnis des Katalogs sei die Inspiration, die er erfolgreich bei den Lesern auslöse: Sie wünschen und planen sich beim Lesen in ihre Traumwohnung.
Die weltweite Auflage des neusten Katalogs beträgt imposante 190 Millionen Exemplare. Der Einrichtungskonzern, der 1943 in Schweden gegründet wurde – und der nach wie vor äußerst erfolgreich mit dem Schweden-Image wirbt – gehört heute der in den Niederlanden registrierten Stiftung Stichting INGKA Foundation.
Den Katalog absetzen? Undenkbar.
Absetzen könnte Ikea den Katalog nicht ungestraft, ist sich Gründel sicher. Denn dann würde ein Shitstorm ausbrechen, unter dem der Konzern dann wahrscheinlich mehr zu leiden hätte als unter den vielen anderen, die es schon gab – und die Ikea alle mehr oder weniger unbeschadet überstand: So mancher Shitstorm ist in der Geschichte des Unternehmens aufgetaucht. Manchmal konnte er unkompliziert entkräftet werden, manchmal ist er schnell wieder in Vergessenheit geraten.
Trotz aller Kritik an Ikea und diverser Skandale, mit denen das schwedische Möbelhaus zu kämpfen hatte: Am Ende seien die Kunden doch immer wieder bereit, zu verzeihen, sagt Verena Gründel.
Haptisches Erlebnis
Die Produktinformationen finden sich natürlich auch online. Doch das bedruckte Papier in die Hand zu nehmen, sei ein haptisches Erlebnis: anfassen und riechen. Im Jahr 2018 freue man sich auch über eine handgeschriebene Postkarte mehr als noch vor 15 Jahren.
Einigermaßen grotesk ist dann aber die Tatsache, dass es für viele Ikea-Fans nichts Tolleres zu geben scheint, als die Bilder aus dem Katalog – kaum ist er im Briefkasten – sofort abzufotografieren und bei Social Media zu teilen.
Instagram-kompatibler Katalog
Die Katalogmacher wissen das natürlich – und bedienen diesen Kundenwunsch in der neuen 2019er-Ausgabe ganz bewusst: Die Fotos sind diesmal extra quadratisch oder im Hochformat abgedruckt, damit die Leute sie besser teilen können. Für Ikea ist das ein super Schachzug: Weiterverbreitung eigener Inhalte, Werbung ohne eigene Kosten.
"Die Kunden verbinden mit dem Katalog das Schöne, Gemütliche und Nostalgische, aber gleichzeitig auch das Moderne."
Ikea habe mit dem Katalog eine ganze Menge richtig gemacht, sagt Verena Gründel. Denn er sei nostalgisch und modern. Im (nostalgischen) Katalog finden sich (moderne) Hinweise, dass ich online noch weitere Infos zu dem Produkt finde, für das ich mich interessiere.
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