Im Gegensatz zum Prokrastinieren können wir Dinge auch zu schnell abhaken. Oft leidet die Qualität und eiliges Handeln kann ebenfalls Stress verursachen. Der Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt die Zusammenhänge.
Wenn wir Dinge immer wieder aufschieben – bis es (fast) zu spät ist, dann nennt sich das Prokrastinieren – ein Phänomen, über das wir schon häufig gesprochen haben. Beim Prokrastinieren bringen wir uns in Stresssituationen, wenn wir Dinge auf den letzten Drücker erledigen. Und wir tragen vielleicht ein schlechtes Gewissen mit uns rum, wenn wir Aufgaben immer wieder vor uns herschieben.
Henning Beck erklärt, dass das Phänomen des "Prekrastinierens" erst seit einigen Jahren erforscht wird: "Und die Frage ist jetzt: Warum genau und welche Effekte hat das auch für unser Leben?"
"Also man sieht, dass Menschen einfach das Zeug sehr schnell erledigen wollen – auf Teufel komm raus. Und dafür nehmen die sogar mehr Aufwand in Anspruch, um es gleich zu erledigen."
Henning Beck sagt, dass auch das Prekrastinieren problematisch sein kann, nämlich dann, wenn Menschen dafür mehr Energie aufwenden, für ein Ergebnis, das vielleicht gar nicht so gut ist: "Die sagen zum Beispiel ich möchte das schnell erledigen, weil ich das weghaben will. Und dann setzen sie aber nicht so viel auf Qualität, stecken nicht so viel Aufwand da rein, sondern die hudeln das irgendwie schnell hin."
"Das kann dann dazu führen, dass die Arbeit einfach schlechter erledigt wird. Oder dass man sich auch zum Teil zu viel aufhalst."
Wenn wir Dinge schnell erledigen, kann es aber auch sein, dass wir uns dadurch viel zu viel aufhalsen, sagt Henning Beck. Und so verursache das Prekrastinieren dann auch wieder Stresssituationen. "Eine Idee ist, das diese ganzen modernen Zivilisationskrankheiten – Burn-out, Stress, gehetzt sein, gereizt sein oder so – daher kommen, dass wir eigentlich so viele Dinge schnell wegschaffen wollen, es aber nicht immer schaffen und dass uns das dann eben stresst", sagt er.
Probanden handeln vorschnell
Eine Studie hat das Phänomen etwas bekannter gemacht: Probanden standen in einem Flur und sollten einen Eimer an das Ende des Gangs tragen. Und entweder stand der Eimer mit schweren Gewichten direkt bei ihnen oder etwa auf halber Strecke. "Was man festgestellt hat: Anstatt einmal die halbe Strecke zu laufen und dann den Eimer zu nehmen, haben die Menschen gleich den schweren Eimer genommen und ihn die gesamte Strecke geschleppt", sagt der Neurowissenschaftler. Selbst wenn auf den weiter entfernt liegenden Eimer noch Geld gelegt wurde, griffen die meisten zum ersten Eimer.
Die Forschenden fragten sich anschließend: Woran kann das liegen? Eine aktuelle Studie hat sich das Phänomen genauer angeschaut und stellt die Frage, ob es daran liegt, dass die Leute einfach die Arbeit schnell erledigt haben wollen? Oder liegt es daran, dass sie einfach handeln, bevor sie nachdenken?
Dinge schnell abhaken
Bei dieser Studie kam heraus, dass wir prekrastinieren, weil wir Dinge erst mal schnell aus dem Kopf haben wollen. "Es ist häufig so nervig, dass sie das abhaken wollen", so Henning Beck, "und wenn wir einen geistigen Haken daran setzen, dann ist gut."
Denjenigen, die jetzt vielleicht merken, dass sie eher zu den Prekrastinierenden gehören, rät der Neurowissenschaftler eine Art Kontrollschleife zu verinnerlichen: "Das hat man auch in diesem Experiment herausgefunden. Wenn die Leute noch mal nachdenken sollen, wenn sie noch mal so einen Checkpoint haben, wo sie ihre Entscheidung überdenken sollen, dann kommt da noch einmal mehr Qualität rein." Und eine bessere Qualität führe meist auch zu mehr Zufriedenheit.
"Du solltest nichts zu weit schieben, du solltest es nicht sofort erledigen – kurz durchschnaufen und dann machen. Dann hast du dem Gehirn die Möglichkeit gegeben, dann nochmal drüber nachzudenken."
Es könne auch tatsächlich sinnvoll sein, manche Sachen nicht direkt zu erledigen. Zum Beispiel wenn wir uns ärgern oder aufregen, macht es meist Sinn, Nachrichten – bevor wir sie abschicken – noch einmal kurz liegen zu lassen und sie zu überdenken. Henning Beck spricht an dieser Stelle vom sogenannten Sweet Spot – etwa das gesunde Mittelmaß zwischen vorschnell handeln und zu lange liegen lassen.