Um medizinische Hilfe in Anspruch nehmen zu können, gibt es die Krankenversicherung. Doch nicht jeder Mensch in Deutschland ist versichert. Die Kosten für Behandlungen müssen Nicht-Versicherte aus eigener Tasche bezahlen. Peter Ostendorf hilft diesen Menschen.

Selbstständigkeit, Wohnungslosigkeit und zu hohe Beiträge – das sind die häufigsten Gründe dafür, dass Menschen in Deutschland keine Krankenversicherung haben. Dem Statistischen Bundesamt zufolge hat das 2019 in Deutschland hochgerechnet rund 61.000 Personen betroffen. Sie können medizinische Behandlungen nur in Anspruch nehmen, wenn sie die Kosten übernehmen.

Diesen Menschen nimmt sich die Praxis ohne Grenzen in Hamburg an. Der damals Mitte 70-jährige Peter Ostendorf gründete die Praxis nach seinem Eintritt in den Ruhestand. Jeden Mittwoch öffnet die Praxis, um Menschen – egal mit welchem Hintergrund – zu therapieren. Im Schnitt kommen 150 Patient*innen ohne Versicherungskarte und mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern in die Praxis. Die Behandlung kann anonym erfolgen. Jeder zehnte Patient ist deutscher Staatsbürger, so Peter Ostendorf.

Ärzte verschiedener Fachrichtungen in der Praxis ohne Grenzen

So vielseitig die Biografien der Patient*innen sind, so breit stellt sich die Praxis ohne Grenzen auf. Menschen können in dem mehrstöckigen Gebäude vom Hausarzt über den Gynäkologen bis hin zum Zahnarzt die Behandlung von Ärzt*innen verschiedener Fachausbildung in Anspruch nehmen. Die Kosten der Praxis ohne Grenzen belaufen sich pro Jahr auf 300.000 und 350.000 Euro. Peter Ostendorf versucht, die Kosten komplett über Spenden von Stiftungen abdecken zu können.

"Um den Menschen helfen zu können, müssen wir auch Therapie anbieten. Damit Krankenhäuser aufwendige Therapien beginnen, müssen wir in Vorleistung gehen."
Peter Ostendorf, Leiter Praxis ohne Grenzen

Peter Ostendorf zufolge benötigen aktuell vier Patienten eine aufwendige Behandlung. Die Patienten hätten ein Hals-Karzinom, ein Lymphom sowie Leukämie.

Die meisten seiner Patient*innen seien unversichert, weil sie sich ihre private Krankenversicherung nicht mehr leisten konnten, sagt der Praxisleiter. Auch gibt es EU-Bürger*innen ohne sozialversicherungspflichtige Arbeit und Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten – auch Kinder sind in Behandlung.

Pensionierter Chefarzt macht weiter

Einige Fälle bleiben Peter Ostendorf in besonderer Erinnerung. Wie etwa ein Ghanaer, der mit starken Ohrenschmerzen zu ihm kam. Es stellte sich heraus, dass er ein Plattenepithelkarzinom hatte.

"Ein 40-jähriger ghanaischer Patient hatte starke Ohrenschmerzen, deren Ursache bis dahin niemand feststellte. Es stellte sich heraus, dass er ein Plattenepithelkarzinom hat."
Peter Ostendorf, Leiter Praxis ohne Grenzen

Das Plattenepithelkarzinom war im Rachenhintergrund, das ins Ohr reinragte. Da es nicht mehr operabel zu entfernen war, wurde der Patient bestrahlt und erhielt Chemotherapie. Der Patient sei inzwischen tumorfrei, berichtet der mittlerweile 85-jährige Leiter der Praxis ohne Grenzen.

"Nach fast vierzig Jahren in der Medizin wollte ich etwas zurückgeben. Das war der ethisch angehauchte Grund."
Peter Ostendorf, Leiter Praxis ohne Grenzen

Peter Ostendorf arbeitete vor seiner Pensionierung viele Jahre als Chefarzt für Innere Medizin des Hamburger Marienhospitals. Er wollte nach dem Ende seines Berufslebens etwas machen, das nicht so wirtschaftlich ausgerichtet ist, wie die Medizin heutzutage, die in fataler Weise an Geld gekoppelt sei, beschreibt Peter Ostendorf sein Engagement für Menschen.

Shownotes
Gesellschaft
Ärzte behandeln Patienten ohne Krankenversicherung
vom 13. August 2024
Autorin: 
Magdalena Neubig, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin