Die Wahlbeteiligung wird wohl bei über 50 Prozent liegen: Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland, die einen türkischen Pass haben, waren bei der Türkei-Wahl stimmberechtigt – bis zum 9. Mai. Ihre Stimmen könnten die Präsidentschaftswahl entscheiden, so der Journalist Tuncay Özdamar.
Die Wahlbeteiligung ist hoch: Es werden wohl über 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben, so Tuncay Özdamar, Leiter der türkischen Redaktion von WDR Cosmo. "Das ist einmalig, glaube ich, dass wir die 50 Prozent-Marke überschreiten", sagt der Journalist.
Am 14. Mai 2023 finden in der Türkei die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Menschen in Deutschland, die einen türkischen Pass haben, durften seit dem 27. April ihre Stimme abgeben. In Deutschland gibt es rund 1,5 Millionen Wahlberechtigte.
Ein Machtwechsel in der Türkei ist möglich
Damit hat Deutschland die größte Gruppe der türkischen Wahlberechtigten außerhalb der Türkei. Insgesamt dürfen über 60 Millionen Menschen ihre Stimme abgeben.
Vor allem die Präsidentschaftswahl mobilisiere die Menschen, so Tuncay Özdamar: Da sind zum einen die Unterstützer*innen von Präsident Recep Tayyip Erdogan, die wollen, dass er an der Macht bleibt. In Deutschland sei Erdogan äußerst beliebt.
"In Deutschland erfreut sich Präsident Erdogan einer größeren Beliebtheit als in der Türkei."
Zum anderen, so Tuncay Özdamar, seien diesmal auch jene motiviert, die hinter der Opposition stehen. "Denn sie spüren, dass etwas in der Luft liegt." In Istanbul ist ein Machtwechsel möglich.
Vor allem jüngere Personen, die in den vergangenen Jahren – auch nach den Gezi-Protesten – nach Deutschland eingewandert sind und teils flüchten mussten, wollten unbedingt wählen gehen. "Sie träumen jetzt schon davon, nach dem 14. Mai in die Türkei zurückzugehen", sagt der Journalist.
2013 hatten sich im Gezi-Park in Istanbul wochenlang Menschen versammelt, um gemeinsam friedlich zu protestieren. Im Juni wurde der Park von der Polizei gewaltsam geräumt. Es gab Tausende Verletzte und auch Tote.
Stimmen aus Deutschland könnten entscheiden
Der Journalist schätzt, dass am Ende rund 900.000 der 1,5 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland gewählt haben werden. Sie würden dann gut ein Prozent der Wählerschaft insgesamt ausmachen. Das erscheint wenig, doch bei einem knappen Ergebnis könnten sie eine wichtige Rolle spielen, vor allem bezüglich der Präsidentschaftswahl.
"Bei einem knappen Wahlausgang könnten die Stimmen aus Deutschland tatsächlich entscheidend sein."
In der Türkei selbst seien es viele jüngere Wähler*innen, die wohl nicht für Präsident Erdogan stimmen werden, so Tuncay Özdamar. Sie würden eher Kemal Kilicdaroglu unterstützen, den Vorsitzenden der größten türkischen Oppositionspartei, der sozialdemokratischen CHP. Oder Muharrem Ince, Vorsitzenden der neu gegründeten Memleket Partei. Gerade für Ince sieht der Journalist eine große Zustimmung bei den jungen Menschen.
Insgesamt kritisch für Präsident Erdogan sei die Lage, in der sich die Türkei derzeit befindet: Viele dort seien unzufrieden, leiden unter der Wirtschaftskrise und den hohen Preisen, sagt der Journalist. Das könnte Erdogan Stimmen kosten.