Die Juristin Britta Zur ist seit Januar 2020 Polizeichefin in Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen. In ihrem ersten Jahr musste sie nicht nur mit Corona klarkommen, sondern auch Situationen managen, die zu den schwierigsten im Polizei-Dienst gehören.
Britta Zur war nur wenige Tage im Amt, als einer ihrer Beamten im Januar 2020 einen Mann erschoss. Die Ermittlungen sind mittlerweile eingestellt. Der Polizeibeamte griff zur Waffe, um einen bedrohten Kollegen zu schützen. "Das war ein unfassbar einschneidendes Erlebnis", sagt Zur.
Im April 2020 wurde außerdem in Gelsenkirchen ein SEK-Beamter bei einem Einsatz erschossen. Er wird von einem Drogendealer getötet, als die Polizisten dessen Wohnung stürmen. "Das führt einem noch mal vor Augen, dass wir als Polizei jeden Tag solche Situationen erleben können."
"Die Verrohung gegenüber Beamten nimmt immer weiter zu."
Bevor Britta Zur Polizeichefin wurde, hat sie sich als Staatsanwältin nicht nur um Kapitalverbrechen gekümmert, sondern in einem Sonderdezernat der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft auch um Straftaten gegenüber Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes. Ein Modellprojekt, bei dem Zur zunächst als einzige Mitarbeiterin zuständig war und das nach und nach gewachsen ist.
Als eine neue Chefin für die Gelsenkirchener Polizei gesucht wurde, meldete sich schließlich NRW-Innenminister Herbert Reul im Dezember 2019 bei ihr (da war sie gerade auf dem Weihnachtsmarkt). Einen Monat später trat sie ihren neuen Job an.
Damals war sie mit Ende 30 die jüngste Polizeipräsidentin Deutschlands. "Ich bin ganz schön beäugt worden", sagt Britta Zur. "Dabei darf es keine Rolle spielen, wie alt ich bin oder ob ich eine Frau bin. Die Frage ist, mit welcher Würde und welchem Engagement ich mein Amt ausübe."
"Mir ist viel Skepsis entgegengeschlagen. Und das passiert auch heute noch."
Britta Zur will für ihre Kolleginnen und Kollegen da sein und ihnen den Rücken stärken. Gleichzeitig steht die gesamte Polizei als Behörde vor großen Herausforderungen. Im September 2020 wurde bekannt, dass sich auch in Nordrhein-Westfalen Polizisten und Polizistinnen in Chatgruppen rechtsradikal geäußert haben.
Mittlerweile gibt es mehr als 200 Verdachtsfälle in ganz NRW. Als Polizei-Chefin muss sich Britta Zur auch um diese Probleme kümmern. "Solche Strukturen haben keinen Platz in der Polizei", sagt sie. "Wir erwarten, dass unsere Beamten diese Taten melden. Es geht nicht darum, einen falsch verstandenen Gemeinschaftssinn zu fördern."
"Ich erwarte von meinen Beamten, dass sie besser sind."
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