Am Samstag ist in Heidelberg ein Pkw in eine Menschenmenge gerast. Da liegt die Vermutung nach einem Terroranschlag natürlich nahe. War es aber wohl nicht, wie die Polizei schnell klargestellt hat. Trotzdem kochten auf Facebook und Twitter die Gerüchte hoch - sehr zum Ärger der Verwaltungsbeamtin, die den Twitter-Account der Mannheimer Polizei betreut hat. Sie ist jetzt selbst Gegenstand einer Debatte geworden.
Die Beamten sind direkt gegen die Gerüchte vorgegangen, sagt unser Netzautor Andreas Noll. Zum Beispiel mit einem Tweet, der im Netz die Runde gemacht hat.
Anne Baas heißt die Beamtin, die für die Mannheimer Polizei am Wochenende getwittert hat. Und Anne Baas wurde noch drastischer. Als ein User auf Twitter zu dem Vorfall schrieb: "He's a fucking Muslim. Fuck the lot of them out of the West " reagierte die Mannheimer Polizei mit: "WTF are you talking about? ".
"What the fuck" von der deutschen Polizei - das ist erst einmal gewöhnungsbedürftig. Ob das der richtige Ton für die Polizei im Netz ist - darüber scheiden sich die Geister. In den Medien kam der Twitter-Stil überwiegend gut an. Viele sprachen von einer "coolen Polizei". Unter den User-Kommentaren gibt es aber auch andere Stimmen, die der Polizei Unprofessionalität vorwerfen. Der Tenor: Sie müsse deeskalieren, aber das sei keine Deeskalation.
Die Kollegen von heise.de haben sich nach diesem Vorfall in Heidelberg bei Fachleuten umgehört. Und die finden den lockeren Ton richtig. Burkhard Margies, Referent für Verwaltungskommunikation am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer, sagt zum Beispiel: "Es wird unter Garantie Menschen geben, die sich von dem lockeren Sprachgebrauch nicht angesprochen fühlen. Aber das ist auch nicht die Zielgruppe." Die Kommunikation der Polizei in sozialen Medien bewege sich "im Spannungsfeld zwischen Zuverlässigkeit beziehungsweise Seriosität einerseits und Allgemeinverständlichkeit andererseits."
Der Ton bleibt eine Gratwanderung
Allgemein verständlich waren die Tweets bestimmt. Und die hetzenden User dürften sich auch angesprochen gefühlt haben. Trotzdem bleibt dieser Ton eine Gratwanderung. Und wir werden sicherlich irgendwann über den ersten Fall sprechen, bei dem die Mehrheit zu dem Schluss kommt: So geht das nicht. Das kann die Polizei nicht machen, sagt unser Netzautor Andreas Noll. Zumal sich auch die Twitter-Accounts von Polizeidienststellen in Deutschland rasend schnell vermehren. Waren es nach Angaben von heise.de im vergangenen Jahr noch 130 Accounts zählen wir heute schon mehr als 200. Und die ersten Polizeidienststellen präsentieren sich mittlerweile auch auf Instagram und Snapchat.
Die Mannheimer Beamtin ist skeptisch, was die Polizei mit dieser Social-Media-Offensive erreichen kann. Die Beleidiger im Netz seien meist unbelehrbar. Irgendwann habe sie einfach nicht mehr geantwortet. Aber grundsätzlich sei es wichtig, dass auch Pöbeleien und Hass im Netz verfolgt werden, so eine Studie von Cyberkriminologen der Fachschule der Polizei Brandenburg. Es ist auch von einer Broken-Web-Theorie die Rede. In Anlehnung an die Broken-Windows-Theorie in sozialen Brennpunkten. Die These: Wenn ein Fenster im Haus zerschlagen wird und nicht mehr repariert wird, dauert es nicht mehr lange, bis das ganze Haus verwahrlost. Im Heidelberger Fall prüft die Polizei, ob sie strafrechtlich gegen die Pöbeleien im Netz vorgehen soll.