Was entscheidet darüber, ob wir politisch rechts oder links wählen? Möglicherweise die Einstellung gegenüber Emanzipation und Gleichberechtigung – und die scheint bei manchen Männern und Frauen unter 30 ziemlich gegensätzlich zu sein.

Die gesellschaftliche Spaltung ist Realität, besonders betroffen von ihr ist die Gen Z. Mit dieser Schlagzeile sorgte die Financial Times kürzlich für Diskussionen. Hintergrund waren die Ergebnisse des US-Datenjournalisten John Burn-Murdoch. Demnach sind Frauen unter 30 politisch eher links, Männer unter 30 hingegen wählen eher rechts. Und das sei nicht nur in den USA, sondern auch in Großbritannien, Südkorea und Deutschland so.

Empanzipation ist von wahlpolitischer Relevanz

Wenn man sich die aktuelle Forschung ansieht, scheint die Sachlage jedoch gar nicht so eindeutig zu sein, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Lydia Jakobi. Zwar gibt es Forschende, die sagen: Ja, die Schere ging zuletzt immer weiter auf. Junge Frauen und Männer entfernen sich politisch tatsächlich voneinander.

Es gibt aber auch andere, die zum Ergebnis kommen: Da ist zwar eine Lücke, die Lage ist aber nicht so dramatisch. Eine von ihnen ist Ruth Dassonneville. Die Politikwissenschaftlerin von der Universität Montréal hat 2020 Daten aus 36 Ländern ausgewertet. Ihr Fazit: Der politische Gendergap ist seit Mitte der 1990er ziemlich stabil geblieben.

Was sich aber sagen lässt, ist, dass sich Frauen in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich eher links positioniert haben, erklärt Lydia Jakobi. Gerade seit den 1990er-Jahren und noch deutlicher ab den 2000er-Jahren zeigt sich, dass Frauen in vielen Ländern mehr links wählen als Männer.

"Bis in die 1970-er Jahre hinein haben Frauen konservativer gewählt als Männer. Das wird vor allem damit erklärt, dass Frauen damals religiöser waren als Männer."
Lydia Jakobi, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Bei Männern scheint die Tendenz nicht so eindeutig zu sein wie bei Frauen. Fest steht aber, dass sich junge Männer politisch auf jeden Fall nicht grundsätzlich eher nach links orientieren, wie es bei Frauen der Fall ist.

Aus den American National Election Studies, die in den USA traditionell vor den Wahlen durchgeführt werden, geht hervor, dass die Zahl der jungen Männer, die konservativ denken, seit langem einigermaßen stabil ist. Für Deutschland zeichnet sich ein anderes Bild ab, wie eine Studie des Kölner Soziologen Ansgar Hudde erstmals zeigt. Demnach wählen junge Männer seit 2017 überdurchschnittlich oft die FDP oder die AfD.

Wenn gleichberechtigte Frauen bedrohlich wirken

Themen, die für die Gen Z ganz klar für Polarisierung sorgen, sind die Emanzipation der Frau und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Das zeigen Ergebnisse der Politikwissenschaftlerin Gefjon Off von der Leuphana Universität in Lüneburg. Sie hat für 27 EU-Länder untersucht, wie junge Frauen und Männer zu Fragen der Gleichberechtigung stehen.

"Junge Männer in Regionen, wo die Arbeitslosigkeit angestiegen ist, fühlen sich deutlich bedrohter von Frauenrechten als junge Männer in Regionen, wo Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist."
Gefjon Off, Politikwissenschaftlerin

In den letzten Jahrzehnten hat sich in vielen Ländern vor allem eines verändert: die Rechte und die Position der Frau in der Gesellschaft. Das hat zur Folge, dass Frauen inzwischen häufiger als Männer studieren – gleichzeitig ist es selbstverständlich, dass sie arbeiten. Dieser Aufstieg bringt zudem eine Veränderung der politischen Werte mit sich.

Die "gute alte Ordnung"

Auf bestimmte Männer wirkt sich das laut Forscherin Gefjon Off folgendermaßen aus: Sie bekommen das Gefühl, abgewertet oder benachteiligt zu werden und suchen dann sozusagen Rettung in der "guten alten Ordnung". Das zumindest ist ein Erkläransatz.

Weitere dürften folgen, wie das bei komplexen Sachverhalten stets der Fall ist. Da die Gen Z noch verhältnismäßig jung ist, wird die Forschung noch viele Jahre haben, um sich ausgiebig mit ihr auseinanderzusetzen.

Shownotes
Politischer Gendergap
Driften Frauen und Männer der Gen Z auseinander?
vom 05. April 2024
Moderation: 
Markus Dichmann
Gesprächspartnerin: 
Lydia Jakobi, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin
    Quellen des Beitrags: