Wahlwerbung oder Wahlaufruf? Twitter blockiert eine Kampagne der französischen Regierung zur Europawahl. Diese sei selbst schuld, sagt das Unternehmen.
Twitter hat den #Ouijevote -Wahlaufruf der französischen Regierung abgelehnt – und beruft sich auf deren Gesetzgebung. In Frankreich ist seit Herbst 2018 ein Anti-Fake-News-Gesetz in Kraft. Demnach muss politische Werbung als solche gekennzeichnet sein. Unser Netzreporter Andi Noll ordnet den Konflikt ein. Mit #Ouijevote sollen die Franzosen aufgerufen werden, sich in die Wahllisten für die Europawahlen einzutragen, die in Frankreich am 26.05.2019 stattfinden.
Das französische Gesetz sieht vor, dass bezahlte politische Werbung kenntlich gemacht wird – um den Usern zu signalisieren: Achtung, hier könnte es sich um einen Manipulationsversuch und Wahleinmischung handeln. Um das transparent zu machen, müssen die Plattformen Auftraggeber und Finanzierung angeben. Twitter sieht sich zur Kennzeichnung – anders als Facebook – nicht in der Lage. Bei Facebook soll dann stehen, von wem der Post, der dann eigentlich eine Anzeige ist, bezahlt wurde. Auch Google lässt politische, informierende Inhalte im Umfeld der EU-Wahl, also zwischen dem 15. April und dem 26. Mai 2019, nicht zu.
Mix aus Aufklärung und Werbung
Twitter gibt an, gleich alle politischen Anzeigen aus Frankreich abzulehnen. Seit Mitte März wird die Kampagne von Twitter blockiert. Aus Sicht der französischen Regierung, handelt es sich nicht um politische oder parteibezogene Werbung, sondern um eine Aufklärungskampagne.
Unser Netzreporter findet die Unterscheidung zwischen Aufklärung und Werbung schwierig. Er hat sich auf Youtube den folgenden Clip der Regierung angesehen, der schon im vergangenen Herbst zur Europawahl aufgerufen hat.
Eine kurze Beschreibung des Clips: dramatische Musik, Bilder von geretteten Flüchtlingen. Dann folgt die Frage: Immigration - Erdulden oder aktiv gestalten? Es folgen Symbolbilder zum Klimawandel. Darauf die Frage: Handeln oder Ignorieren? Bilder von Orban und Salvini: Einheit oder Teilung? Am Ende der Text: Im Mai 2019 wird sich Europa ändern. Sie entscheiden über die Richtung.
Regierung kritisiert Twitter
Ein Wahlaufrufclip also, der deutlich pro-europäisch und anti-populistisch ausgerichtet ist, also durchaus die politischen Überzeugungen der Partei von Emmanuel Macron vertritt. Die französische Regierung gibt sich trotzig. Twitter halte sich nicht an die Bestimmungen, schreibt Innenminister Christophe Castaner auf der Plattform. Weiter: Twitter solle gegen terroristische Inhalte kämpfen und nicht gegen einen Wahlaufruf. Öffentlich wird inzwischen auch die Vermutung diskutiert, Twitter habe diese Entscheidung bewusst getroffen, um das umstrittene Gesetz noch einmal in die Öffentlichkeit zu bringen.
Der Arbeitsaufwand für die Netzwerkkonzerne ist durch das neue Gesetz gewachsen – politische Werbung auszuspielen ist dadurch arbeitsintensiver geworden. Andi Noll weist darauf hin, wie weitgehend die Vorschriften sind: Parteien oder Kandidaten können in den drei Monaten vor einer landesweiten Wahl mit Hilfe eines Richters im Eilverfahren gegen öffentlich verbreitete Unwahrheiten vorgehen.