Die Parteienlandschaft wird bunter. Als Wähler*innen haben wir so mehr Auswahl. Doch mehr Parteien im Bundestag machen die Entscheidungsfindung schwieriger, sagt Politologe Thorsten Faas.
Neue Parteien sind in Deutschland am Start: Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist bereits als Partei gegründet, Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (DAVA) und Werteunion haben die Parteigründung vor.
BSW ist eindeutig als linkspopulistisch Partei einzuordnen, sagt Politikwissenschaftler Thorsten Faas. Das Bündnis bewege sich wirtschaftlich betrachtet eher links und kritisiere die Regierung stark. Im Gegensatz zur Partei Die Linke, aus der sich das BSW abgespalten hat, nehme das Bündnis auch eine andere Position zu den Themen Migration und Zuwanderung ein – und spricht sich gegen eine unkontrollierte Zuwanderung aus.
Aufbrechen von klassisch linken und rechten Dimensionen
Klassische linke und rechte Dimensionen werden durch das BWS aufgebrochen in ökonomische, gesellschaftspolitische Themen, erklärt Thorsten Faas. Hinzu komme die Kritik an der Ampel-Regierung. So würden ganz neue politische Zusammenschlüsse entstehen. Die Werteunion hat zwar noch keine Partei gegründet, strebt aber dieses Ziel an. Dieser Zusammenschluss würde zu einer weiteren Aufspaltung im rechten Lager führen, so Fass.
DAVA, derzeit noch eine politische Vereinigung, hat dagegen einen ganz eigenen Ansatz, sagt der Politologe. Sie vertritt eine bestimmte Gruppe, "das kannten wir bisher so noch nicht". Nach eigenen Angaben will sie sich für "Menschen mit ausländischen Wurzeln" einsetzen.
Neue Parteien haben gute Chancen
Die Aussichten der neuen Parteien, bei Wahlen auch genügend Zustimmung zu erhalten, seien gut. "Wir sehen, da ist viel Dynamik im Spiel", sagt Thorsten Faas. Selbstverständlichkeiten am Wahltag, wie wir sie früher kannten, gibt so nicht mehr, erklärt der Politikwissenschaftler. Wähler*innen würden ihre Zustimmung nicht mehr immer der gleichen Partei geben und seien eher bereit, ihre Stimme bei jeder Wahl neu zu vergeben. "Zumindest punktuell gehen damit große Chancen für neue Parteien einher", stellt Thorsten Faas fest.
Parteienlandschaft spiegelt Gesellschaft wider
Neue Parteien entstehen als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen. Sie entwickeln Parteiprogramme, die darauf eine Antwort geben wollen, und haben dadurch Aussicht auf Erfolg, erklärt der Politikwissenschaftler.
Mehr Parteienvielfalt führt aber auch dazu, dass über bestimmte Themen mehr diskutiert wird. Am Ende, wenn diese Parteien auch im Bundestag oder in den Landtagen vertreten sind, müssen die unterschiedlichen Positionen zu einer Entscheidung zusammengeführt und Kompromisse gefunden werden. Mehr Parteien würden dann diese Aushandlungsprozesse schwieriger machen.
"Mehr Parteien bedeuten mehr Auswahl für uns, aber auf der anderen Seite viel mehr Arbeit für die Parteien. Das ist der Zielkonflikt, den wir gerade erleben."
Auch die Regierungsbildung könnte durch mehr Parteien im Bundestag oder in den Landtagen schwieriger oder langwieriger werden, denn Koalitionen zu bilden könnte ebenfalls ein komplizierterer Prozess werden. Wenn dann hinzukommt, dass Parteien eine Zusammenarbeit mit einer anderen Partei grundsätzlich ablehnen, wie das im Fall der AfD ist – aber auch die Positionen von CDU und Linke sind häufig nicht miteinander vereinbar –, wird es schwierig, Mehrheiten zu finden.
Mehr Parteien führen letztlich dazu, dass unser Parteiensystem, wie wir es bisher kannten, zunehmend zersplittert. Das zeigt sich auch daran, dass die ehemals großen Volksparteien SPD und CDU in bestimmten Bundesländern in der Wählerzustimmung auf mittlere bis kleine Parteien abgerutscht sind.
"Die spannende Frage ist: Gelingt es noch, Dinge zusammenzuführen?"
Die Schwierigkeit sei, dass mehr unterschiedliche Parteien und damit verbunden unterschiedliche Positionen auch zu einer Polarisierung führen könnten, weil eben auch extremere Positionen vertreten werden würden. "Aber das genau ist die Verantwortung der Parteien, sicherzustellen, dass genau das nicht passiert und man trotzdem koalitions- und kompromissfähig bleibt", mahnt Thorsten Faas.