In einer Demokratie zählt jede Stimme gleich viel. Doch was passiert mit der Demokratie, wenn es für manche Gruppen einfacher ist, zu wählen oder sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, als für andere? Damit beschäftigt sich Identitätspolitik. Ein Vortrag des Philosophen Martin Saar.
Welche Rolle spielt es in einer Demokratie, ob wir alt oder jung, arm oder reich, schwarz oder weiß, Mann oder Frau, krank oder gesund sind? Wer wir sind oder zu welcher Gruppe wir gehören, sollte für unsere politische Teilhabe erst einmal irrelevant sein. Doch in der Wirklichkeit sieht es oft anders aus.
"Wo Unterschiede gemacht werden, die keinen Unterschied machen sollten - für die Gleichheit der politischen Stimme oder der politischen Rechte - es aber faktisch tun, weil sie übervorteilen oder benachteiligen, wird Identität zum hochpolitischen Thema ."
Martin Saar ist Philosoph und Professor für Sozialphilosophie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In seinem Vortrag geht er der Frage nach, welche Rolle Identität in einer Demokratie überhaupt spielen kann, sollte oder muss.
"Ich argumentiere für eine enge, eine wesentliche Verbindung zwischen Identität und Demokratie."
Er vertritt eine klare These. Identität und Demokratie sind eng und wesentlich miteinander verbunden. Demokratische Politik kann gar nicht anders, als sich um die Identitäten ihrer Bürgerinnen und Bürger zu kümmern.
"Wenn sich eine Gruppe wehrt und sagt: 'Ihr grenzt uns aus, bloß weil wir so sind, wie wir sind, dann ist das ein identitätspolitischer Vorwurf und der darf auch so heißen."
Wer oder was wir sind - also unsere Identität - kann beeinflussen, ob es für uns leichter oder schwieriger ist, am politischen Leben und an der Gesellschaft teilzunehmen. Wenn es für Frauen zum Beispiel systematisch schwieriger ist, politische Ämter zu erlangen, dann ist das ein Problem, um das sich eine Demokratie kümmern muss.
"Differenz, Pluralität und Konflikt gehören zur Demokratie. Sie sind ihre Lebenselemente."
Sonst ist der Grundsatz einer jeden Demokratie in Gefahr, dass alle gleichen Zugang haben und alle Stimmen gleich viel zählen, sagt Martin Saar. Das dürften wir nicht einfach ignorieren. Pluralität und Heterogenität gehören für ihn zu unserer Demokratie.
Martin Saar hat seinen Vortrag am 5. Oktober 2021 gehalten, bei der Polytechnischen Gesellschaft in Frankfurt am Main. Sein Vortrag hat den Titel "Wirklich gleich? Identität und Demokratie".