Die beiden Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt analysieren, was unsere Demokratien gefährdet. Die größte Gefahr: Die Wähler. Sie wählen aus Enttäuschung über die etablierten Parteien Politiker, die stark polarisieren und demokratische Normen infrage stellen.
Steven Levitsky und Daniel Ziblatt sind Professoren für Regierungslehre an der Universität Harvard. Steven Levitsky hat sich auf politische Parteien, Demokratien und Autokratien spezialisiert. Dabei hat er sich vor allem die Rolle informeller Institutionen in Südamerika vorgenommen.
Daniel Ziblatt dagegen hat sich mehr auf Europa konzentriert und in verschiedenen europäischen Universitäten Gastprofessuren übernommen. Gemeinsam haben sie das Buch "Wie Demokratien sterben" geschrieben, das Ende Mai 2018 bei DVA auf Deutsch erschienen ist.
Demokratie-Gefährdung kommt von innen
Denkt man an einen Zusammenbruch des Staates, kommt einem als erstes Krieg und Putsch in den Sinn. Die beiden Professoren haben dagegen ganz andere Gefahren ausgemacht, die westliche Demokratien von innen heraus zerstören. Dabei geht die größte Gefahr von den Wählern aus, hat Daniel Ziblatt unserem Korrespondenten Michael Watzke erklärt.
"It's possible for democracies to die even if citizens want democracy. So when people vote for somebody who might be challenging democratic norms and democratic institutions once in office, people are not voting to kill democracy. They are voting for who they think represents their interests. And it's often a disaffection with the mainstream party."
Daniel Ziblatt sagt, dass Demokratien sterben können, obwohl die Bürger die Demokratie wollen. Wenn Bürger einen Politiker wählen, der demokratische Normen und Institutionen verletze, dann nicht, um die Demokratie zu zerstören, sondern weil sie denken, dieser Politiker vertrete ihre Interessen. Oft seien sie enttäuscht von den Mainstream-Parteien.
Die Gefahr geht von den Wählern aus
Weil also wir Politiker wählen, die der Demokratie schaden, tragen wir zum Sterben der Demokratie bei. Dadurch kann das Gegenteil von Demokratie entstehen: autokratische Systeme, in der Gewaltenteilung ausgesetzt wird und sich die Macht auf eine Person konzentriert.
An vier Merkmalen erkennt ihr Autokraten
Wir können wir Wähler also erkennen, dass der Kandidat die Abschaffung der Demokratie plant? Daniel Ziblatt nennt vier Merkmale:
- Sie weisen demokratische Spielregeln zurück
- Sie sprechen ihren politischen Gegnern die Legitimität ab
- Sie wollen die bürgerlichen Freiheiten ihrer Gegner und der Medien beschneiden
- Sie akzeptieren, unterstützen oder üben Gewalt aus
Zu beobachten sind diese Merkmal beispielsweise beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan oder beim russischen Präsidenten Wladimir Putin. Einige sehen diese Merkmale auch beim US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
Beispielsweise hat der Präsidentschaftskandidat Donald Trump seine Rivalin Hillary Clinton bei den Wählern in Verruf gebracht. Sobald Donald Trump auf sie zusprechen kam, haben seine Anhägern gerufen "Lock her up" – "Sperrt sie ein!"
"Readyness to curtail civil liberties of opponents. Including the media. If you have elected leaders calling the media 'lying press' or 'enemies of the people', that is certainly a warning sign."
Demokratiefeinde sind bereit, die Freiheiten ihrer Gegner und der Medien zu beschneiden, sagt Daniel Ziblatt. Wenn Politiker Medien als Lügenpresse oder Volksfeinde bezeichnen, sei das mit Sicherheit ein Warnsignal.
"So any of those four indicators – if any of them is passed by an elected leader or someone running for office, than one should be nervous and should realize: once in office, that person might attack democratic institutions."
Ein Politiker, der alle vier Merkmale aufweise, würde demokratische Institutionen angreifen, sobald er gewählt sei, ist sich Daniel Ziblatt sicher. Bleibt die Frage, wie man richtig auf autokratische Tendenzen reagiert. Daniel Ziblatt rät, die autokratischen Techniken nicht zu übernehmen und in der politischen Auseinandersetzung nicht zu polarisieren.
"Extreme levels of polarization are very dangerous for democracy. Elected leaders as well as citizens need to behave in ways that don't reward politicians that don't engage in this kind of rederick."
Denn extreme Polarisierung sei gefährlich für Demokratien. Bürger und Politiker dürfen niemanden belohnen, der oder die spalterische Sprache verwendet. Auch wenn man den politischen Gegner nicht möge: Wenn die andere Seite die demokratischen Spielregeln einhalte, müsste man das akzeptieren und politisch bekämpfen. Es helfe nicht, die andere Seite nachzuahmen, auch wenn sie demokratische Normen verletze. Denn sonst lande man in einer tödlichen Spirale.
"Wie Demokratien sterben" von Steven Levitsky und Daniel Ziblatt, Originaltitel "How Democracies Die", aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt, DVA Sachbuch 29. Mai 2018, 320 Seiten.
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