Abgeordnete mit Ausbildungsberufen und ohne Uniabschluss gibt es im Deutschen Bundestag nur wenige. Was soziale Klasse und Bildung angeht, werden die Parlamente in Deutschland immer homogener. Ein Vortrag der Politikwissenschaftlerin Lea Elsässer.
Frauen und Menschen mit Einwanderungsgeschichten sind in deutschen Parlamenten noch immer unterrepräsentiert. Ihr Anteil an der Bevölkerung ist deutlich höher als der in den Parlamenten. Das Bewusstsein für dieses Missverhältnis ist in den vergangenen Jahren aber gewachsen und der Anteil von Frauen und Menschen mit Einwanderungsgeschichten in deutschen Parlamenten ist heute höher als früher.
"Parteien und Parlamente werden in Bezug auf soziale Klasse und Bildungshintergrund immer homogener."
Wenn es aber um soziale Klasse und Bildung geht, sieht der Trend ganz anders aus: Heute sitzen deutlich mehr Menschen mit hoher Bildung im Bundestag als früher, 85% aller Abgeordneten haben einen Hochschulabschluss. Abgeordnete mit einem so genannten Arbeiterhintergrund gibt es nur noch wenige. In den 1970er und 1980er Jahren war das noch anders.
Nur wenige Abgeordnete mit so genannten Arbeiterbiografien
Lea Elsässer ist Politikwissenschaftlerin und hat die soziale Zusammensetzung der deutschen Parlamente erforscht. In ihrem Vortrag erzählt sie, wie sich die sozialen und beruflichen Biographien der Abgeordneten heute immer mehr ähneln, was die Ursachen für diesen Trend sind und warum das problematisch ist.
"Wer sich schlechter oder besser repräsentiert fühlt, nimmt vielleicht auch eher am politischen Prozess Teil oder auch nicht mehr teil."
Menschen, die sich schlecht repräsentiert fühlen und es auch sind, wenden sich eher von der Politik ab, sagt Elsässer. Nur noch circa fünf Prozent aller Abgeordneten im Deutschen Bundestag haben eine so genannte Arbeiterbiographie, unter der arbeitenden Bevölkerung insgesamt aber waren es im Jahr 2015 noch 44 Prozent, erzählt sie in ihrem Vortrag.
"Die Parteien haben einen viel größeren Einfluss als die Wähler*innen selbst, wenn es darum geht, wer genau ins Parlament entsendet wird."
Geringere Chancen im Nominierungsprozess mit Ausbildungsberuf
Ein wichtiger Grund für diese Akademisierung der Politik liegt im Nominierungsprozess der Parteien, erklärt Elsässer in ihrem Vortrag. Sie und ihr Team haben die innerparteilichen Nominierungsprozesse genauer untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Menschen mit Ausbildungsberufen und ohne Hochschulabschluss deutlich geringere Chancen haben, für einen sicheren Listenplatz aufgestellt zu werden.
Zudem ist das Bewusstsein innerhalb der Parteien, beim Nominierungsprozess auch auf den beruflichen Hintergrund der Kandidat*innen zu achten, nicht stark ausgeprägt.
Lea Elsässer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihr Vortrag hat den Titel "Wer sitzt (nicht) im Parlament? Innerparteiliche Nominierungsprozesse und die ungleiche Klassenzusammensetzung des Bundestages" Sie hat ihn am 12. Juni 2024 an der Freien Universität Berlin gehalten im Rahmen der interdisziplinären Vorlesungsreihe "It's representation, stupid?! Das Gleichheitsversprechen in modernen politischen Demokratien".
Organisiert wird die Reihe von der Arbeitsstelle für Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland an der FU Berlin.