Die Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten Thüringens mit den Stimmen der AfD wird im Nachhinein offensichtlich von der Bundes-FDP nicht gebilligt. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindern ist deshalb nach Erfurt gereist, um beim thüringischen FDP-Landesverband und der Landtagsfraktion eine Kurskorrektur vorzunehmen. Sind also Landesverbände nicht selbstständig?
Politikerinnen verschiedener Parteien haben die Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten des thüringischen Landtags mit Stimmern der AfD-Fraktion stark kritisiert. Nach übereinstimmender Darstellung mehrerer Abgeordneter, so berichtet die Süddeutsche Zeitung, habe FDP-Parteichef Christian Lindner im Vorfeld gewarnt, dass eine Wahl mit Stimmen der AfD nicht infrage komme. Thomas Kemmerich hat die Wahl dennoch angenommen. Mittlerweile hat er dem Druck des FDP-Chefs nachgegeben und seinen Rücktritt erklärt.
Bundsverband kann Landesverband auflösen
Landesverbände seien eher autonom aber nicht autark, sagt die Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki. Wenn Landesverbände aber gegen die demokratische Ordnung verstoßen, die sie gemäß dem Parteiengesetz haben müssen, dann könne der Bundesverband den Landesverband sogar auflösen. So geschehen beispielsweise 1985, als der Berliner Landesverband der Grünen von Rechtsextremen unterwandert wurde.
"Wenn der Landesverband gegen die demokratische Ordnung verstößt, dann kann der Landesverband durch die Bundespartei aufgelöst werden."
Ob es einen ähnlichen Verstoß jetzt in Thüringen gegeben habe, sei schwer einzuschätzen, sagt Isabelle Borucki. Jede Partei habe unterschiedliche Regeln und Satzungen. Die der Liberalen würde eigentlich nicht vorsehen, dass eine mangelnde Absprache eine Auflösung zur Folge hätte.
Die Landesverbände seien eigentlich verpflichtet, vor Wahlabsprachen mit anderen Parteien mit dem Bundesvorstand zu reden und das zu melden. Bei der CDU habe das offensichtlich funktioniert. Hier scheint es laut Aussagen der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer die Absprache gegeben zu haben, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen, um eine Wahl mit AfD-Stimmen zu verhindern.
Landesverbände sind eine zentrale Schnittstelle
Bei der FDP seien die Vorgänge dagegen noch nicht genau geklärt. Hier gebe es verschiedene Darstellungen von verschiedenen Seiten. Bei der FDP herrsche gerade keine Einigkeit. Auch darum stelle FDP-Chef Lindner jetzt die Vertrauensfrage.
"Innerhalb der FDP ist da gerade auch keine Einigkeit. Und man weiß jetzt auch nicht wirklich, wem will man da jetzt glauben."
Landesverbände seien eine zentrale Schnittstelle und würden die politische Willensbildung innerhalb der Partei sichern. Durch sie gelangen die Themen, die in den Kreis- und Ortsverbänden diskutiert und beschlossen werden, weiter an die Parteispitze und in die Bundesebene.
"In einem gewissen Maße kann der Landesverband von der Parteilinie abweichen. Das ist begründbar mit spezifischen Gegebenheiten vor Ort, wenn es mit den allgemeinen Parteizielen vereinbar ist."
In einem bestimmte Maße könne ein Landesverband von den Satzungen und der Linie der Bundespartei abweichen. Das aber sei im informellen Bereich geregelt und nicht in Parteigesetzen nachlesbar. Begründbar seien solche Abweichungen etwa mit den spezifischen Gegebenheiten vor Ort, aber nur, wenn der Vorgang mit den allgemeinen Parteizielen vereinbar sei. Die Auflösung eines Landesverbands wäre dann das letzte Mittel.
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