Während die Koalitionsverhandlungen laufen, ist Angela Merkel lediglich geschäftsführende Bundeskanzlerin. Ihr Ziel ist es jedoch, im Amt zu bleiben. Dabei könnte sie auch einfach in den Ruhestand gehen.
Die Bundestagswahl 2017 brachte den nicht erhofften Erfolg für die CDU/CSU, die Jamaika-Koalitionsverhandlungen sind geplatzt, und auch die Verhandlungen mit der SPD werden zur Zerreißprobe. Bisher war Angela Merkel eine der wenigen Konstanten bei der Regierungsbildung, nun aber werden Stimmen lauter, die ein Ende der Ära Merkel sehen.
Viel Kritik, wenig Alternativen
Neben erwartbarer Kritik von FDP und den Jusos zeigt ein aktuelles Stimmungsbild, dass der Rückhalt in der Bevölkerung schwankt. Bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov (2036 Befragte) sprachen sich 47 Prozent für einen vorzeitigen Rücktritt der Kanzlerin aus, 36 Prozent möchten sie weitere vier Jahre im Amt sehen.
Auch Angela Merkels Ziel bleibt, die nächste Regierung anzuführen. Doch warum eigentlich?
"In Bezug auf die Union sehe ich da nicht wirklich eine Konkurrenz von ernsthaftem Format."
Selbst, wenn nur gemutmaßt werden kann, was Angela Merkel antreibt, Kanzlerin zu bleiben, würden zwei Faktoren typischerweise bei Politikern dieser Größenordnung eine Rolle spielen, sagt Marcel Solar, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn: Zum einen das Machtstreben, zum anderen der Wunsch, Inhalte zu gestalten.
"Merkel hat keine Lust aufs Altenteil abgeschoben zu werden. Alles, was nach Kanzlerin kommt, ist machtmäßig ein Abstieg. Aber Politik gestalten möchte sie auch. Selbst, wenn sie nicht als die Visionärin angesehen wird."
Bei den Koalitionsverhandlungen spielt der Erhalt der Kanzlerschaft somit natürlich eine Rolle. Die Situation ist knifflig: Geht Angela Merkel zu sehr auf die SPD zu, um eine Koalition zu bilden, könnte ihr dies in den eigenen Reihen und gegenüber dem Verhandlungspartner SPD als Schwäche ausgelegt werden. "Die CDU hat, wenn man in die Geschichte guckt, kein Problem damit, auf die SPD zuzugehen. Allerdings ist die Union im Moment erheblich angeschlagen", sagt Politikwissenschaftler Marcel Solar.
Zum Erfolg gezwungen
Erfolgreiche Verhandlungen mit der SPD seien für das Standing von Angela Merkel dringend notwendig, lautet die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Marcel Solar. "Wenn auch das gegen die Wand gefahren wird, steht sie mit leeren Händen da. Selbst wenn das nicht alles ihre persönlichen Fehler sind, steht sie doch an so zentraler Stelle, dass es ihr Scheitern ist."
Die Ausgangsposition ist für Angela Merkel also nicht optimal, aber auch den Pool an Konkurrenten schätzt der Politikwissenschaftler als dürftig ein.
"Sie ist keine, die über Gebühr an der Macht festhält. Aber ich glaube nicht, dass ein Rücktritt bald passiert."
Nach seiner Einschätzung hat die Kanzlerin die möglichen Szenarien, die sich aus der aktuellen Situation ergeben, durchdacht und auch die Option eines Rücktritts bewertet.