Juso-Chef Kevin Kühnert muss für seine Kapitalismuskritik viel Schelte einstecken, auch aus der SPD. Doch auch seine Vorgänger bei den Jungsozialisten haben nicht mit Provokationen gespart.
Unser Reporter Johannes Döbbelt schaut in die Geschichte der Jungsozialisten (Juso) und stellt ein paar Beispiele früherer Juso-Chefs vor. Zum Beispiel Gerhard Schröder. Ende der 70er Jahre hat er sich selbst als Marxist bezeichnet und setzte sich zum Ziel: "Vorrechte der herrschenden Klasse beseitigen". Auch seine Forderungen zum Ende der Atomkraft hatten damals Sprengkraft.
"Kein Zubau neuer Kernkraftwerke und ein Stopp auch bestehender und laufender Kernkraftwerke."
Auch Olaf Scholz als Juso-Vize hat schon die "Überwindung der kapitalistischen Ökonomie" gefordert. Niels Annen, heute Staatsminister im Auswärtigen Amt, hat in den 2000er-Jahren als Juso-Chef die Agenda 2010 als eine "einzige Gerechtigkeitslücke" kritisiert.
Provokation gehört zum Politik-Programm
Provokation scheint also Programm der Jungsozialisten zu sein. Das sei auch gut so, denn zu viel Angepasstheit hält die Politikwissenschaftlerin und SPD-Mitglied Dorothee de Neve für besorgniserregend.
"Es ist eher besorgniserregend, wenn Jugendorganisationen sich allzu geschmeidig an den Mutterparteien entlang entwickeln. Es ist üblich, dass sie sich links oder rechts von der Mutterpartei positionieren und ihre Position pointierter formulieren."
Dabei liegen die Inhalte der Jusos gar nicht so weit entfernt von denen der Mutterpartei: Kapitalismus überwinden, für Sozialismus eintreten. Unternehmen kollektivieren und Wohneigentum beschränken, wie es Kevin Kühnert fordert, geht dann doch ein bisschen weiter. Das mag aber auch daran liegen, dass die wirtschaftspolitischen Ideen der SPD in den letzten beiden Jahrzehnten Richtung Mitte und Unternehmen gewandert sind, sagt Dorothee de Neve. Mit seinen Positionen fordere der Juso-Chef jetzt die SPD-Kollegen heraus.
"Es ist ja nicht eine Position in irgendeinem Politikfeld, die jetzt anders ist, sondern es geht um eine ganz grundlegende Veränderung und um die Überwindung des Kapitalismus. Das ist natürlich eine Provokation par excellence."
Aus seiner Position heraus, kann sich der Juso-Chef eine solche Provokation erlauben. Kevin Kühnert ist nicht an der Regierung beteiligt und agiert aus einer Oppositionsrolle heraus, erklärt Dorothee de Neve.
Später landen alle in der Mitte
Wie sich Kevin Kühnert in ein paar Jahren verhalten wird, wenn er die Jugendorganisation verlässt, steht auf einem anderen Blatt. Volker Kronenberg, Politikwissenschaftler an der Uni Bonn, beschreibt, wie sich diese Positionen verändern, sobald die Jungpolitiker Karriere machen. Sie wandern mit ihren Ansichten zunehmend Richtung Mitte.
"Wenn sie dann sozusagen weitergehen und aus den Jugendorganisationen rausgehen, dann ist interessanterweise die Entwicklung immer in die Mitte hinein, immer moderierend, eher von den Rändern dann doch ins Zentrum, ausgleichend, austarierend."
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