Etablierten Parteien geht der Nachwuchs aus – und dass obwohl es gesellschaftliche Probleme gibt, die Parteien bearbeiten. Menschen engagieren sich vielfaltig, jedoch nicht auf politischer Ebene. Was ihnen in Parteien fehlt.
Das Engagement von Bürger*innen ist augenscheinlich gerade sehr hoch. Leute gehen auf die Straße, um gegen Nazis zu demonstrieren, Landwirt*innen kritisieren mit Straßenblockaden die Bundesregierung – und Protestaktionen für mehr Klimaschutz finden schon länger statt.
Allerdings: Die Arbeit in Parteien scheuen immer mehr. Jedenfalls gehen SPD, Union, FDP, Grünen und Linken der Nachwuchs aus. Deutschlandfunk-Nova-Reporter Justus Wolters sagt, dass das vor allem bei der SPD zu merken ist.
"Bei den größten Parteien ist der Mitgliederschwund am deutlichsten. Allein im letzten Jahr hat die SPD etwa 15.000 Mitglieder verloren. Auch die CDU verliert jedes Jahr tausende Mitglieder."
Selbst bei den zuletzt stark gewachsenen Grünen sind die Mitgliederzahlen 2023 zurückgegangen. Auch die FDP trifft es hart, genauso wie die Linke. Die FDP verlor im Vorjahr 4.000 Mitglieder. Einzig die AfD hat stetig wachsende Mitgliederzahlen – insgesamt hat die Partei, die sich 2013 gründete, aber deutlich weniger Mitglieder als größere Parteien. Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der FU Berlin erklärt, dass es vor allem ein Problem für die etablierten Parteien ist.
Das Gefühl, mit politischer Arbeit nichts verändern zu können
Dass die etablierten Parteien Mitglieder verlieren, hat offenbar mehrere Gründe. Demonstrationsteilnehmende sagten Deutschlandfunk-Nova-Reporter Justus Wolters unter anderem, dass "wir nicht alle in die Politik rennen müssen, sondern gucken müssen, dass die, die in der Politik sind, ihren Job gut machen."
Andere haben das Gefühl, dass sie ohnehin nichts verändern könnten oder dass sie sich in den Themen vieler Parteien nicht wiederfinden, berichteten sie unserem Reporter.
Dass die Themen einer Partei hundertprozentig die eigenen Interessen und Einstellungen widerspiegeln, gibt es vermutlich nicht. Ein Grund, der Politik deswegen fern zu bleiben, muss das aber nicht sein. Marie trat einer Partei bei, um die Politik ein Stück weit auf ihre Seite lenken zu können.
"Ich hatte ein Gefühl der Hilflosigkeit und wollte mich dem nicht hingeben. Ich wollte dagegen kämpfen und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit kriegen."
Sie hat die Hoffnung, mit gemeinsamer, organisierter Politik etwas gegen die stärker werdenden Strömungen in der Gesellschaft tun zu können. Die demokratischen Werte ihrer Partei möchte sie zunächst in der Ortsgruppe gestalten – wohin sie ihr politischer Weg führt, weiß sie noch nicht.
Eine Überlegung ist zum Beispiel in Zukunft für den Stadtrat zu kandidieren. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass wieder mehr Menschen Parteien beitreten würden, wenn sie mehr Mitsprache und Gestaltungsrecht erhielten – und die Strukturen auf regionaler Ebene jünger wären.
"In verschiedenen Studien steht, dass mehr Menschen Parteien beitreten würden, wenn sie mehr Mitsprache- und Gestaltungsrecht hätten."
Außerdem wünschen sich Menschen – laut der Studien –, dass es in Parteien Angebote gibt, die nicht unmittelbar mit politischer Arbeit zu tun haben. Menschen wollen sich engagieren. Das zeigt sich am Interesse und der Teilnahme an Aktionen von freien Gruppen wie Fridays for Future, die Falken oder kirchlichen Verbänden.
Viele treffen sich auch, um gemeinsam gegen Nazis oder für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Wie viele Mitglieder freie Gruppen haben, lässt sich allerdings kaum sagen. Allerdings kämpfen Jugendgruppen auch verstärkt um neue Mitglieder. Für einige sind sie aber offenbar eine Alternative zur Arbeit in einer Partei.
"Ich traue den Parteien nicht zu, konsequent etwas gegen rechts zu tun. Das haben die seit Jahren nicht gemacht."
Deswegen engagiert Vincent sich lieber privat in Jugendgruppen. Er versucht dort mit Leuten, die er mag, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.