Während des Kalten Krieges arbeiteten sowjetische und US-amerikanische Forschende am Südpol über viele Jahrzehnte zusammen. Ein Vortrag des Historikers Elias Angele über die politische Bedeutung dieses Austauschs.
Bei Eis und Schnee während des monatelangen antarktischen Winters zu forschen und auf engem Raum zusammenzuleben, ist eine Herausforderung. Das gilt umso mehr, wenn die Forschenden aus zwei sich feindlich gegenüberstehenden politischen Systemen kommen.
Trotzdem hat es diesen Austausch zwischen sowjetischen und US-amerikanischen Forschenden in der Antarktis während des Kalten Krieges jahrzehntelang gegeben. Wie war das möglich? Um diese Frage geht es in der Doktorarbeit von Elias Angele, die er in seinem Vortrag vorstellt.
"Wenn so etwas möglich war in einem Teil der Welt, dann stellt dieser Zustand ja auch letztlich die Grenzen an anderen Orten in Frage."
Angele ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen und promoviert zur Geschichte der Polarforschung. Bisher, sagt Angele, sei die Geschichte der Zusammenarbeit in der Antarktis ohne die Rolle der Sowjetunion geschrieben worden. Seine Doktorarbeit füllt eine Lücke.
Austausch in der Antarktis war Vorläufer der Weltraumkooperation
Das Austauschprogramm in der Antarktis begann 1958. In der Zeit bis 1983 lernten 25 US-Amerikaner und 27 Sowjets am Südpol das Leben und Arbeiten der anderen Seite kennen. Das machte die Antarktis zu einer einzigartigen Kontaktzone für die beiden konkurrierenden Supermächte, erzählt Angele. Auch für die spätere Weltraumkooperation war das Programm Vorläufer und Inspiration.
"Für die individuellen Wissenschaftler war der Austausch ein Abenteuer und eine nie dagewesene Chance, andere Gemeinschaften kennenzulernen."
Für die Forschenden selbst war der Austausch eine Chance, Freundschaften über politische Grenzen hinweg zu schließen. Es gab aber auch ein ständiges Misstrauen von beiden Seiten. So hatten die US-amerikanischen Wissenschaftler Angst, dass diejenigen Sowjets, die gut Englisch sprechen konnten und nett waren, auf sie angesetzt waren. Die sowjetischen Forschenden wiederum konnten sich nicht vorstellen, dass ihre US-amerikanischen wissenschaftlichen Gäste nicht mit den Geheimdiensten in Verbindung standen.
"Selbst in der Kooperation lässt sich handfestes Konkurrenzdenken ausmachen. Die Erkenntnisse über das Erdsystem spielten eine enorme Rolle für das Militär und dessen immer komplexere Waffensysteme."
Offiziell war der Austausch von Forschenden in der Antarktis ein rein wissenschaftliches Programm. Doch die Wissenschaftswelt, sagt Angele, ist kein reiner freier internationaler Austausch von Ideen. Auch in der wissenschaftlichen Kooperation in der Antarktis spielte das Konkurrenzdenken der beiden Supermächte eine entscheidende Rolle. Durch den Austausch konnte die USA zum Beispiel laufend über die sowjetischen Antarktisaktivitäten informiert bleiben.
"Ein Ausdruck dessen, wie gravierend sich die Weltlage heute geändert hat, ist auch, dass selbst in den Konsultativrunden, also dem diplomatischen Forum der Antarktisstaaten, die Kommunikation seit Beginn des Ukrainekrieges zunehmend scheitert."
Möglich war der Austasuch nur, weil sich beide Seiten miteinander verständigten. Dafür mussten sie sich, zu Zeiten des Kalten Krieges, für die andere Seite weiter öffnen als an anderen Orten der Welt. Heute sei das, was damals möglich war, nicht mehr umsetzbar, erzählt Angele. Seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine scheitere die Kommunikation selbst im diplomatischen Forum der Antarktisstaaten.
Elias Angele ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen. Sein Vortrag, in dem er sein Promotionsprojekt vorstellt, hat den Titel "Durch den eisigen Vorhang. Wissenschaftleraustausch in der Antarktis 1956 - 1983". Er hat ihn am 27.01.2025 gehalten im Rahmen des Kolloquiums Osteuropäische Geschichte an der Universität Bremen.