Es ist Pilz-Saison: In rauen Mengen sprießen die Fruchtkörper in feuchten Waldgebieten aus dem Boden. Das große Angebot lockt Sammler an. Doch Pilze dürfen nicht unbegrenzt gesammelt werden. Einige Unternehmen haben sich deshalb andere Strategien überlegt, wie sie an das begehrte Gut kommen. Was Pilze mit Wirtschaft zu tun haben, darum gehts in dieser Folge von WtW?!
Es ist das Jahr 2019: In Sembach im Kreis Kaiserslautern überführt die Polizei drei Männer mit 84 Kilogramm Pilzen im Kofferraum eines Wagens. Und im Hunsrück ertappen die Beamten einen Sammler mit 19 Kilo – die meisten davon waren Steinpilze.
Dabei ist das gewerbsmäßige Sammeln von Pilzen nur mit behördlicher Genehmigung erlaubt. Den Männern droht nach Angaben der Polizei ein Bußgeld. Denn Pilze dürfen laut Gesetz nur "bis zur Menge eines Handstraußes" aus dem Wald genommen werden.
Pilzzucht als Start-up
Unternehmen wie das Kölner Start-Up Pilzling haben da eine andere Strategie. Die Gründer Christian Vetter und Trevor Weiss sammeln keine Pilze im Wald, sondern züchten ihre eigenen Gourmetpilze.
"Wir züchten Frischpilze, Gourmetpilze, die man in der Regel selten im Supermarkt findet und verkaufen dann diese an die örtliche Gastro hier in Köln."
Pilze zu züchten sei dabei zum Teil weniger aufwendig, als man denke, sagen sie. Dafür brauche es im Grunde nur Abfallprodukte, wie Kaffeesatz.
"Das heißt, das wäre dann Kaffeesatz, ein bisschen Stroh, um eine gewisse Textur da reinzugeben und Gips um die PH-Werte zu kontrollieren."
Das Rezept für Austern-Seitlinge lautet beispielsweise: Kaffeesatz, Stroh und Gips.
Bau, Medizin oder Musik – Pilze everywhere
Pilze lösen allerdings nicht nur unter Feinschmeckern einen Hype aus. Auch in zahlreichen Wirtschaftsbereichen hat man längst den Mehrwert von Pilzen entdeckt. Das erklärt auch Marc Stadler, Abteilungsleiter am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung.
"In Europa kenne ich Leute, die kleine Firmen aufgemacht haben, und denen geht es relativ gut – die wachsen."
Vor allem das Wurzelwerk der Pilze, das sogenannte Myzel, ein schnell wachsendes Geflecht aus fadenförmigen Zellen, sorgt für Faszination – ob in der Baubranche, in der Musikwelt oder im Gesundheitswesen. In der Bauindustrie bekommt man einen 100 Prozent ökologischen Verbundstoff, der auch andere Eigenschaften mit sich bringt, erklärt der Pilzexperte Christian Vetter. Der Verbundstoff sei dämmend oder auch von Natur aus feuerfest.
Die Vielseitigkeit der Pilze macht sie zu einem begehrten Gut. Forscher*innen beziffern deren weltweite, ökonomische Leistung auf knapp 55 Billionen US-Dollar, also rund 50 Milliarden Euro. Das ist der Wert all der Leistungen, die Pilze für die Menschheit erbringen. Auch wenn diese Rechnung ihre Lücken hat – sie zeigt das Potential von Pilzen. Ob Marcus im Wald Pilze findet, und was Anca zur Tragedy of the Commons zu sagen hat, darum dreht es sich auch in dieser Folge von What the Wirtschaft?!
Habt ihr auch manchmal einen WTF-Moment, wenn es um Wirtschaft und Finanzen geht? Wir freuen uns über eure Themenvorschläge und Feedback an whatthewirtschaft@deutschlandfunknova.de.
- Der Pilz am Ende der Welt: https://www.deutschlandfunkkultur.de/anna-lowenhaupt-tsing-der-pilz-am-ende-der-welt-neues-leben-100.html
- Kleiner Ausflug in den Wald und These der Tragedy of the Commons
- Wo steckt das wirtschaftliches Potential von Pilzen?
- Pilze everywhere - Ein Blick auf verschiedene Branchen
- Pilzzucht am Beispiel des Start-ups Pilzlinge
- Fazit