Faulheit gilt heutzutage als Laster, der katholischen Kirche sogar als Todsünde. Fleiß ist das Gebot unserer Zeit, wir definieren uns vor allem über Arbeit. Dabei hat die Faulheit ihre guten Seiten. Und sie war nicht schon immer so schlecht gelitten, im Gegenteil!
Alles wird heutzutage zur Arbeit, stellt der Philosoph Konrad Paul Liessmann im Hörsaal kritisch fest: Intellektuelle und Künstler mutierten zu ‚Geist- und Kopfarbeitern‘, und selbst die Liebe werde zur ‚Beziehungsarbeit‘. Wer sich dem Diktat der Tüchtigkeit nicht beugt, wird schnell als arbeitsscheu, als Parasit oder Loser abgestempelt oder pathologisiert. Die Unterstellung potenzieller Faulheit hat laut Liessmann zu einem Arbeitsregime voller Kontrolle und Evaluation geführt.
"Unter den Bedingungen der industriellen Organisation von Arbeit ist Fleiß keine Tugend, sondern eine erzwungene und erpresste Unterwerfung unter ein rigides Zeit- und Produktionsmanagement.“
Wäre es anders, so Liessmann, hätte man nie die Stechuhr erfinden müssen. Dem ständigen Zeit- und Leistungsdruck empfiehlt er, sich mit Muße zu widersetzen. Die alten Griechen wussten um ihren Wert: In der Antike galt sie als Tugend.
"Die Muße ist die Schwester der Freiheit.“
Sollen wir Faulheit also per se als Ideal denken? Nein, das wiederum auch nicht: Liessmann differenziert in seinem Vortrag zwischen verschiedenen Formen der Faulheit - nicht jede heißt er gut. So unterscheidet er zum Beispiel zwischen aktiver Faulheit im Sinne kontemplativer Muße oder der "Nachlässigkeit und Schlampigkeit im Denken", die sich vor allem in der modernen Medienwelt ausbreite, und die er als verachtenswert bezeichnet.
"Wie wäre es, die soziale Anerkennung nicht den Müßiggängern zu verweigern, sondern den Hektikern, Beschleunigern und Rund-um-die-Uhr-Erreichbaren?“
Konrad Paul Liessmann lehrt "Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik" an der Universität Wien. Er leitet seit 1996 das Philosophicum Lech, von dessen Jahrestagung "Mut zur Faulheit" auch sein gleichnamiger Vortrag stammt, der am 21. September 2017 aufgezeichnet wurde.
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