Die Vietnamesin Thanh Thu hatte keine Berufsperspektive im eigenen Land. Deshalb zahlte sie eine hohe Gebühr, um einen Ausbildungsplatz in Deutschland zu bekommen.
Thanh Thu kommt aus Vietnam und ist 21 Jahre alt. Vor über einem Jahr ist sie nach Deutschland gekommen, um eine Pflegeausbildung in Schleswig-Holstein zu machen. Zu Hause, sagt Thu, hätte sie nur auf dem Feld arbeiten können. Einen anderen Job gab es in ihrem Heimatort für sie nicht.
Für Thanh Thu war es anfangs nicht einfach: 9.000 Kilometer von ihrer Familie entfernt, anfangs ohne einen Internetanschluss, kaum Sprachkenntnissen und überhaupt zum ersten Mal im Ausland.
"Fast alle jungen Leute sind wie ich ins Ausland gegangen, um zu arbeiten, und um mit dem Geld ihre Familie zu unterstützen."
Um einen Ausbildungsplatz in Deutschland finden zu können, hat Thanh Thus Familie 10.000 Euro an eine Vermittlungsagentur gezahlt. Die Kosten entsprechen mehren Jahresgehältern in der Gegend, aus der sie kommt. Die Agentur, die Thu vermittelt hat, heißt Leading International Activation, kurz LIA.
"Ich habe kein schlechtes Gewissen. Das ist eine ganz langfristige Betreuung."
Die Agentur hat sich um alle Formalitäten gekümmert: Beispielsweise hat sie Thu bei ihrem Visumsantrag unterstützt, ihr einen Ausbildungsplatz gefunden und eine Wohnung für sie gesucht.
Aus der Sicht der Agentur-Chefin sind zehntausend Euro ein angemessener Preis, sagt Thi van Anh Ohsieck, die sich als Beraterin der vietnamesischen Pflegekräfte versteht.
Deutsche Botschaft in Hanoi warnt vor privaten Vermittlungsagenturen
Die Deutsche Botschaft in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi warnt auf ihrer Interseite inzwischen ausdrücklich vor privaten Vermittlern, die Provisionen von Pflege-Auszubildenden nehmen.
Sie schreibt, Arbeitgeber in Deutschland sollten nicht mit solchen Agenturen zusammenarbeiten. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) kooperiert mit der Agentur LIA. Dass dabei Vermittlungsgebühren anfallen würden, sei ihm nicht bekannt, sagt der Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, Mathias Steinbuck.
"Das wäre für uns ein Faktor, den wir nicht akzeptieren können, wenn am Ende solche Gebühren fällig werden, um in den Kontakt einzutreten."
Im Laufe seiner Recherchen spricht unser Reporter Johannes Tran mit weiteren vietnamesischen Pflege-Azubis aus verschiedenen Bundesländern: Sie alle berichten ihm von hohen vierstelligen, teils sogar fünfstelligen Gebühren für ihren Weg nach Deutschland.
Diese Auszubildenden sagen aber auch, dass es ihnen ohne die Agentur nicht gelungen wäre, nach Deutschland zu kommen.
Pflicht liege beim Arbeitgeber
Thanh Thus Chef Christian Heuer, Mitgeschäftsführer eines ambulanten Pflegedienstes in Schleswig-Holstein, hat die Zuammenarbeit mit der Vermittlungsagentur inzwischen beendet, weil er die Pflicht die finanzielle Last zu tragen eher bei den Arbeitgebern sieht und nicht bei denjenigen, die ihre Heimat verlassen, um in Deutschland eine Pflegeausbildung zu machen.
"Das, finde ich, ist mein Job als Arbeitgeber zu sagen: Ich komme für die Sprachkosten, für die Flugkosten, für alles Mögliche auf. Und nicht der, der sowieso schon weg von der Familie geht."