Personalisierte Werbung im Netz empfinden viele von uns als Plage. Die Initiative "Tracking-Free Ads Coalition", eine fraktionsübergreifende Gruppe von EU-Parlamentarierinnen und Parlamentariern, will sie EU-weit verbieten lassen. Wir klären, wie erfolgversprechend der Plan ist.
Gerade habt ihr noch auf einer Online-Plattform eine neue Druckerpatrone gekauft, schon erhaltet ihr umgehend immer wieder Angebote für neue Druckerpatronen in den Werbefenstern unterschiedlichster Seiten. Nicht immer kommt die "spionierende Werbung" so plump daher, oft ist sie auch geschickter und versteckter.
In der "Tracking-Free Ads Coalition" haben sich Abgeordnete der Sozialdemokraten, der Grünen und der Liberalen zusammengefunden. Am 02.02.2021 treffen sie sich, um ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Ihr Ziel: "Spionierende Werbung" soll in der EU zukünftig vollständig verboten sein. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen sie die aktuellen Verhandlungen über den Digital Service Act (DSA) nutzen, das Gesetz über digitale Dienste in Europa, das die EU-Kommission Ende vergangenen Jahres vorgestellt hat.
Riesige Datenmengen
Eine der wichtigsten Figuren der "Tracking-Free Ads Coalition" ist die Grünen-Abgeordnete Alexandra Geese, berichtet Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter Andreas Noll. Geese möchte vor allem Werbung, "die uns ausspioniert, ohne dass wir das als Werbestalking wahrnehmen" verbieten lassen.
Mit Hilfe von Cookies, Hardware-Informationen und den Rückmeldungen der Browser sammelt die Werbeindustrie große Mengen an Informationen über uns, die uns zum gläsernen Bürger werden lassen, sagt unser Netzreporter. Das gehe weit über das hinaus, was landläufig unter Tracking-Werbung verstanden wird: Ihr kauft ein Produkt im Online-Shop und bekommt dann noch Tage später auf diversen Websites Werbeanzeigen genau zu diesem Produkt angezeigt.
"Die Werbeindustrie sammelt große Mengen an Informationen über uns, die uns zum gläsernen Bürger werden lassen."
Google und Facebook nutzen große Datenmengen inklusive Standortdaten der Handys, um detaillierte Profile für personalisierte Werbung zu erstellen. Dabei verwenden die großen Plattformen diese Daten nicht nur, um die Menschen zum Kauf von Produkten zu animieren, sondern auch, um sie mit psychologischen Tricks länger auf der Plattform zu halten.
Psychologische Tricks
Dank der gesammelten Daten bekommen die User gezielt Inhalte angezeigt, die ihren Stimmungen und Neigungen entsprechen. Die Rechnung ist einfach: Je länger jemand auf Facebook oder Youtube surft, umso mehr Werbung kann ich ihm unterjubeln, und umso mehr Geld verdient die Plattform. Besonders gut geeignet, um die Menschen am Bildschirm zu halten, seien polarisierende Inhalte.
"Besonders gut geeignet, um die Menschen am Bildschirm zu halten, sind polarisierende Inhalte. Damit sind wir dann wieder bei Hass und Hetze und den gesellschaftlichen Problemen."
Die Chancen, das Verbot personalisierter Werbung vollständig umzusetzen, schätzt unser Netzreporter als eher gering ein. Eine schärfere Regulierung werde zwar kommen, glaubt er – diese werde aber wahrscheinlich nicht so weit gehen, wie die Initiative das möchte.
Die Abgeordneten der "Tracking-Free Ads Coalition" selbst sind aber zuversichtlich. Sie sehen gerade das Momentum für ihre Pläne gekommen, berichtet Andreas Noll.
Döpfner unterstützt Vorhaben
Vor wenigen Tagen habe sich mit dem Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner auch ein mächtiger Verbündeter auf ihre Seite geschlagen. Er forderte die EU-Kommission auf, die Datenallmacht der großen US- und chinesischen Plattformen zu brechen. In der EU sollte es Plattformen verboten sein, persönlichkeitsrelevante und sensible Daten zu speichern und für kommerzielle Zwecke zu nutzen, findet er.
Zum Momentum gehört ebenfalls, dass seit einiger Zeit auch Apple das Tracking der Plattformen begrenzen will und für mehr Datenschutz kämpft.
Mehr kontextbasierte Werbung
Ganz auf Werbung im Netz zu verzichten, ist natürlich kaum möglich, allein schon zur Finanzierung der Web-Angebote. Das ist der Koalition klar. Sie will die Werbung auch nicht ganz abschaffen, sondern fordert mehr kontextbasierte Werbung – also Werbung, die nicht auf den einzelnen Surfer zugeschnitten ist. Als Vorbild verweist die Gruppe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Niederlanden. Dort wurde die Cookie-Nutzung komplett abgeschafft und die Werbeeinnahmen sind trotzdem gestiegen.