Die Psychologin Wiebke Bleidorn erforscht an der kalifornischen Universität UC Davis, wie sich unsere Persönlichkeit entwickelt. Dabei befasst sie sich beispielsweise auch mit der Frage, in welchem Alter sich unsere Eigenschaften am stärksten ausprägen und verändern.
Eine Frage, die Forschende seit Langem beschäftigt, ist, wie stark unsere Persönlichkeit bereits durch unsere Gene festgelegt ist, und welcher Anteil unserer Persönlichkeit durch unsere Erlebnisse und Erfahrungen geprägt wird.
Auch die Psychologin Wiebke Bleidorn von der Universität UC Davis in Kalifornien sucht gemeinsam mit ihrem Team nach einer Antwort auf diese Frage. Sie sagt, dass unsere Persönlichkeit das Ergebnis eines Zusammenspiels der Umwelt mit unseren Genen sei. Wie das bei jedem Einzelnen vor sich geht, ließe sich aber bisher noch nicht genau beantworten.
Leichter ist es für die Psychologin, eine Aussage darüber zu treffen, wie sehr die individuellen Unterschiede zwischen Personen durch das Erbgut festgelegt sind: Ungefähr 50 Prozent der individuellen Unterschiede in den Persönlichkeitseigenschaften beruhen auf ungefähr 50 Prozent der individuellen Unterschiede in den Genen, sagt die Persönlichkeitsforscherin.
"Vor allem im jungen Erwachsenenalter scheint die erste romantische Beziehung verglichen mit anderen Lebensereignissen eine große Bedeutung zu spielen, vor allem für junge Männer."
Insbesondere das junge Erwachsenenalter trägt entscheidend dazu bei, wie sich unsere Persönlichkeit entwickelt, so die Psychologin. Verglichen mit anderen Erfahrungen, die wir im Verlauf unseres Lebens sammeln, sei die erste Beziehung, die wir eingehen, besonders wichtig. Das gelte vor allem für junge Männer. Und: Selbst, wenn die Beziehung zerbricht, hat das in der Regel positive Konsequenzen, sagt Wiebke Bleidorn.
Mit der ersten Beziehung werden wir in der Regel emotional stabiler
Das leitet die Psychologin von der Beobachtung ab, dass die meisten jungen Erwachsenen oder Teenager nach ihrer ersten Partnerschaft emotional deutlich stabiler seien als vorher. Nicht nur das, sagt Wiebke Bleidorn, sie haben einen höheren Selbstwert und seien anscheinend gewissenhafter.
Lebensereignisse, die unsere Persönlichkeit formen können
Die Beziehung wirkt sich demzufolge nicht nur auf den emotionalen Bereich aus. Die Forschung habe gezeigt, dass wir in der Regel auch mehr Verantwortung übernehmen und zuverlässiger sind, sagt Wiebke Bleidorn. In westlichen Kulturen kann auch der Schulabschluss oder der Besuch einer Uni eine Rolle dabei spielen, wie wir uns entwickeln.
Vor allem im jungen Erwachsenenalter scheinen unsere Erlebnisse in dieser Zeit Einfluss zu nehmen auf unsere Offenheit für Erfahrungen. Grundsätzlich sehe es so aus, sagt die Persönlichkeitsforscherin, dass junge Menschen, die sich bilden und länger in ihre Bildung investieren, Persönlichkeitsveränderungen zeigten. Insgesamt seien sie offener für Erfahrungen und würden gerne neue Sachen ausprobieren. Sie seien also insgesamt flexibler.
Im Alter von 18 bis 40 Jahren entwickelt sich unsere Persönlichkeit am stärksten
Wiebke Bleidorn hält es für möglich, dass das junge Erwachsenenalter eine Art kritische Phase für die Persönlichkeitsentwicklung ist, und dass bereits genetisch vorbestimmt sei, dass wir uns in dieser Zeit besonders stark entwickelten. Es gibt einige Befunde, die dafür sprechen, sagt sie.
In der Folgezeit, zwischen dem 18. und 40. Lebensjahr, ist dann die Dichte der Lebensereignisse sehr hoch, so Wiebke Bleidorn: Beziehungen, Heirat, Kinder, Berufsbeginn zum Beispiel. Und auch negative Ereignisse finden in dieser langen Phase statt: das Erleben von Arbeitslosigkeit etwa, Verluste, Scheidung und mehr. Dadurch, dass unsere Umwelt eher instabil sei, könnte es sein, dass sich unsere Persönlichkeit in dieser Lebensspanne stärker verändere, so die Psychologin.
Unsere Persönlichkeit kann sich ein Leben lang weiterentwickeln
Auch nach dieser Zeit stagniert unsere Persönlichkeitsentwicklung nicht – zwar verändern sich unsere Eigenschaften in der Regel nicht mehr so stark, aber der Prozess an sich hält ein Leben lang an, sagt Wiebke Bleidorn.
Menschen reagieren sehr individuell auf Traumata
Auch Traumata, die wir erleben, können dazu führen, dass sich unsere Persönlichkeit verändert, so Wiebke Bleidorn. Aber auch hier ließe sich nicht pauschal sagen, wie der Einzelne auf ein traumatisches Erlebnis reagiere. Es gebe Menschen, sie in der Folge möglicherweise depressiv werden. Andere könnten ein Trauma aber auch als Chance sehen und daran wachsen. Dieser Effekt ist als posttraumatisches Wachstum in der Forschung bekannt.
"Ein Trauma führt häufig dazu, dass Menschen ganz unterschiedlich reagieren. Manche werden tatsächlich depressiver vielleicht, andere sehen ein Trauma als eine Chance."