Die vorgezogene Bundestagswahl stellt vor allem Kleinparteien vor große Probleme. Um überhaupt zur Wahl antreten zu können, müssen sie ausreichend viele Unterschriften sammeln. Doch die Zeit bis zur Neuwahl im Februar 2025 wird knapp.
Warm einpacken, Klemmbrett unterm Arm und los gehts in die Frankfurter Innenstadt. An den Wochenenden vor Weihnachten ist Miriam Schönauer hier viel unterwegs, allerdings nicht, um Glühwein zu trinken oder Geschenke zu kaufen, sondern um Unterschriften zu sammeln. Miriam ist Generalsekretärin im Landesvorstand Hessen der Partei "Mensch Umwelt Tierschutz" und Beisitzerin im Bundesvorstand.
Die Partei gehört zu den sogenannten Kleinparteien. Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt sie 1,5 Prozent der Zweitstimmen. Das bedeutet: Um bei der anstehenden Bundestagswahl am 23. Februar 2025 antreten zu können, braucht sie Unterschriften von Unterstützern. Denn in Deutschland gilt: Wenn eine Partei keine Abgeordneten in einem Landtag oder im Bundestag hat, muss sie vor einer Wahl Tausende Unterschriften sammeln. Erst dann kann sie zur Wahl zugelassen werden.
Kleinparteien erweitern das politische Themenspektrum
Diese Unterschriften brauchen nicht nur die Partei "Mensch Umwelt Tierschutz", sondern auch andere Klein- und Kleinstparteien wie "Die Partei", Volt und die Piratenpartei. Die Tatsache, dass die kommende Bundestagswahl vorgezogen ist, bedeutet, dass diese Parteien ungefähr ein halbes Jahr weniger Zeit haben, um dieselbe Anzahl an Unterschriften zu bekommen wie beim regulären Wahltermin.
Die Partei "Mensch Umwelt Tierschutz" benötigt bundesweit 27.000 Unterstützerunterschriften, davon 2.000 in Hessen. Stand jetzt (Mitte Dezember 2024) schätzt Miriam, wurden für Hessen 100 Unterschriften gesammelt, also noch viel zu wenige.
"Die erforderliche Anzahl an Unterschriften zu bekommen ist in der kurzen Zeit einfach nicht machbar."
Tatsächlich muss jede Unterschrift handschriftlich getätigt werden, berichtet Miriam, eine digitale Lösung gibt es nicht. Und nicht nur das: Die Partei muss die gesammelten Unterschriften per Post in die Geschäftsstelle oder zur Wahlleitung schicken, wo sie wiederum für die Beglaubigung händisch abgetragen wird. Das Ganze kommt dann zurück in die Parteizentrale, die es wiederum bei der Landeswahlleitung einreichen muss – alles innerhalb der gesetzten Deadline.
Inzwischen haben die Kleinparteien zwar eine Fristverlängerung erreichen können. Das sei aber auch das Mindeste, kritisiert Miriam. Ihre Partei verfüge über eine Parteienfinanzierung, doch für andere, die komplett ehrenamtlich arbeiten, wird es noch schwieriger, die Unterschriften zusammenzubekommen, sagt sie.
"Wenn das Sammeln von Unterschriften unverhältnismäßig schwer zu erfüllen ist, kann das zu einer, wenn auch unbeabsichtigten, Diskriminierung führen."
Hinzu kommt, dass für Kleinparteien, doch einiges daran hängt, auch wenn sie nicht in den Bundestag schaffen wie die Partei "Mensch Umwelt Tierschutz": nämlich die Parteienfinanzierung. Um staatliche Gelder zu bekommen, muss eine Partei bei einer Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent der Stimmen bekommen. Das Geld, erklärt Miriam, ist dafür da, um die Partei nach außen sichtbar zu machen an Ständen, auf Plakaten oder auf Messen.
Demokratie lebt von (Parteien-)Vielfalt
Mit der Finanzierung geht also auch die Chance einher, dass sich Klein- und Kleinstparteien erfolgreicher werden, ergänzt Heinrike Rustenbeck, Politikwissenschaftlerin an der TU Chemnitz. Sie erklärt, warum Kleinparteien elementar sind, obwohl sie es nicht in ein Parlament schaffen: "Kleinparteien besetzen Themen, die von größeren oder etablierten Parteien teilweise oder nicht in der Intensität nicht besetzt werden."
Außerdem, so die Politikwissenschaftlerin, sei es nicht nur für die Parteien und deren potenzielle Wähler*innen relevant, auf dem Wahlzettel aufzutauchen. Fehlen Klein- und Kleinstparteien, verteilen sich die Stimmen der Kleinparteiwähler*innen entweder auf größere Parteien, oder aber sie gehen verloren, weil sich diese Menschen dann unter Umständen dafür entscheiden, nicht zur Wahl zu gehen.
"Wenn Klein- und Kleinstparteien komplett auf dem Wahlzettel fehlen, kann das das politische Kräfteverhältnis verändern."
Und Miriam, die sammelt eben fleißig Unterschriften. Bis zum 20. Januar 2025 hat sie noch Zeit. Eigentlich sei es unmöglich, das erforderliche Ziel zu erreichen. Aber das ist keine Einstellung, die einen weiterbringt, sagt sie. "Also versuche ich die Energie lieber in die Arbeit reinzustecken" – und damit auch in die Demokratie.
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