Bei den Paralympics 2024 geht auch Ruderer Marc Lembeck an den Start. In seinem Verein leistet er Pionier- und Aufklärungsarbeit – denn es ist keineswegs selbstverständlich, dass Menschen mit Behinderung im Verein oder Sportunterricht einfach so mitmachen können.
Marc Lambeck (im Bild oben der zweite von rechts) ist in diesem Jahr bei den Paralympischen Spielen in Paris dabei. Für den Para-Ruderer (er hat von Geburt an eine Sehbehinderung) gibt es wenig Schöneres, als in einem gut laufenden Boot auf dem Wasser zu sitzen.
Doch der Weg ins Ruderboot führte über ganz andere Sportarten. Als Kind spielte Marc Lambeck, wie so viele andere, Fußball. Eine Lehrerin überzeugte ihn dann, sich das Leichtathletik-Training in einem Verein anzuschauen. Denn Marc Lambecks Leistungen in Leichtathletik waren so überragend, dass die Lehrerin ihm riet, eine Karriere im Spitzensport anzustreben. Ein guter Rat, wie sich herausstellte.
Behinderung ist kein Ausschlusskriterium
Bereits 2008 nahm Marc Lambeck als Leichtathlet an den Paralympics in Peking teil. Inzwischen ist er Para-Ruderer. Der Grund für den Wechsel: Es ist eine Sportart, die er gemeinsam mit seinem besten Kumpel machen kann. Zusammen sind sie beim Verein RTHC Bayer Leverkusen eingestiegen. Dort haben sie als Para-Sportler erst mal Pionierarbeit geleistet, erzählt Marc Lambeck.
Damals war Sport für Menschen mit Behinderungen in dem Verein noch so gar kein Thema. Er und sein bester Kumpel waren die ersten Mitglieder mit Einschränkung. Also machten die beiden es sich kurzer Hand zur Aufgabe, Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn, so Marc: "Wir wollten unbedingt rudern!"
"Unser Ziel war es zu zeigen, dass im Sport eine Behinderung nicht gleichzusetzen ist mit einer Belastung oder mit einem Nachteil."
Tatsache ist: In Deutschland ist Sport für Menschen mit Behinderung oft noch schwer zugänglich. Das hat mehrere Gründe, sagt Thomas Abel. Er ist Professor für paralympischen Sport an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Inklusion ist noch nicht überall in der Gesellschaft angekommen
Zunächst verweist er auf Zahlen, die für sich sprechen:
- 55 Prozent, also über die Hälfte der Menschen mit einer Behinderung, machen nie Sport.
- Bei den Menschen ohne Behinderung sind es 32 Prozent.
Geht man davon aus, dass Menschen mit und ohne Behinderung grundsätzlich die gleiche Lust haben, Sport zu machen, dann ist dieser Unterschied von über zwanzig Prozent ein Offenbarungseid, sagt Thomas Abel.
Ausbaufähig: Kommunikation von Interessierten und Vereinen
Die Gründe sind vielfältig:
- Laut Untersuchungen gibt es oft keinen guten Match zwischen Vereinen und Menschen mit Behinderung, die Sport treiben wollen. Das heißt, die Angebote werden nicht gefunden oder aber die Vereine, die von Menschen mit Behinderung angefragt werden, haben doch kein passendes Angebot. Das ist für beide Seiten frustrierend. Thomas Abel weiß auch von vielen Vereine, die sagen: Jetzt haben wir zwar ein Angebot – aber es kommt niemand.
- Für Menschen mit Behinderung geht es nicht nur darum, ein passendes Angebot zu finden, sondern auch darum, den Verein oder die Sportgruppe unkompliziert zu erreichen. Stichwort: Mobilität und fehlende Barrierefreiheit.
- Die Räumlichkeiten, also die Hallen und Plätze, sind nur selten so ausgestattet, dass sie die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung erfüllen.
Inklusion im Sport: Positive Entwicklungen in Deutschland – aber noch nicht genug
Was Inklusion im Sport angeht, hat sich in Deutschland über die letzten Jahrzehnte allerdings viel getan, hebt der Sportwissenschaftler hervor. Trotzdem insgesamt nicht genug – das zeigen eben jene 55 Prozent der Menschen mit Behinderung, die nie Sport treiben.
Als Positivbeispiel verweist Thomas Abel auf die USA: Dort laufe es anders, vor allem, weil die Verantwortlichkeit für Barrierefreiheit nicht jeder Verein selbst übernehmen muss. Teilhabe ist per Gesetz vorgegeben. Das heißt, die Frage, ob die Infrastruktur barrierefrei ist oder nicht, stellt sich gar nicht erst.
"Wir müssen als Gesellschaft dafür sorgen, dass jemand mit besonderem Bedarf den Sport machen kann, den er oder sie machen will."
Marc Lembeck erhofft sich von den Paralympics 2024 in Paris nicht nur eine Medaille – er setzt auch auf die Strahlkraft der Veranstaltung. Im Idealfall lassen sich sehr viele Menschen von der Begeisterung mitreißen, die von den Para-Sportler*innen in Paris ausgeht, hofft er. Und zwar diejenigen Personen, die Sportangebote machen und diejenigen, die schon immer mal Sport machen wollten.
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