Das Hin und Her um den Paragrafen 219a, dem Werbeverbot für Abtreibungen, scheint auf Regierungsebene beendet: Die Große Koalition will den Paragrafen erweitern und nicht streichen. Zu dem Gesetzentwurf gibt es aber ganz unterschiedliche Meinungen. Wir lassen bei Eine Stunde Liebe verschiedenen Seiten zu Wort kommen, unter anderem die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die die Debatte ins Rollen gebracht hat.
Bundesweit sorgte das Urteil des Gießener Amtsgerichts im November 2017 für Schlagzeilen. 6.000 Euro Strafe für die Ärztin Kristina Hänel, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis aufgeführt hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbietet, und wie sie diese durchführt. Das ist gesetzlich verboten und fällt unter den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches.
Lebensschützer wie Alexandra Maria Linder, unter anderem Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht, wollen, dass das Verbot bestehen bleibt. Wenn ein Arzt darauf hinweist, dass er Schwangerschaftsabbrüche anbietet, sei das werblich, meint Linder.
"Da hört die Information auf und fängt die Werbung an. Denn der führt die Abtreibungen ja durch, weil er damit Geld verdient. Das ist ja dann sein Leistungsangebot."
Ärzte dürfen nicht ausführlich informieren
Mittlerweile hat sich die Große Koalition auf einen Kompromiss verständig und einen Gesetzesentwurf erarbeitet: Der Paragraf 219a soll erweitert werden. Ärztinnen und Ärzte sollen auf ihrer Internetseite angeben dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Weitere Informationen bleiben jedoch verboten. Stattdessen sollen sie auf offizielle Seiten im Netz verlinken, die weitere Informationen bereitstellen - etwa die Bundesärztekammer. Kristina Hänel und anderen Kritikern reicht das jedoch nicht aus. Sie bemängeln, dass Ärzte nach wie vor nicht informieren dürfen, wie sie möchten.
"Es ist nach wie vor staatliche Zensur, und nach wie vor werden Ärztinnen und Ärzte kriminalisiert, wenn sie das tun, was ich gemacht habe, nämlich sachlich zu informieren."
Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung hatte in diesem Zusammenhang am 26. Januar 2019 zu einem deutschlandweiten Aktionstag aufgerufen: In 30 Städten demonstrierten knapp 6.000 Menschen. Den meisten ging es um die Abschaffung der Paragrafen 219a und 218 – Schwangerschaftsabbrüche sollten legalisiert werden, forderten Frauen und Männer etwa auf der Demo am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz. Eine Stunde Liebe war für eine Reportage dort.
“Schwangerschaftsabbruch muss aus dem Strafgesetzbuch raus. Auch Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen, stehen mit einem Bein praktisch immer im Gefängnis, wenn Sie irgendwo einen Fehler machen innerhalb dieser Regelung. Dazu sagen wir Nein."
Außerdem zu Gast in der Sendung ist Tirza Schmidt: Die ausgebildete Hebamme hat in Bochum eine Beratungsstelle gegründet, die sich an Frauen wendet, die eine Schwangerschaft abgebrochen haben und das bereuen. Sie sagt, wir sollten auch darüber reden, wie es den Frauen geht, die abgetrieben haben - die dann "still und einsam leiden".
- "Alles, was es für Frauen einfacher macht, an Informationen zu gelangen, ist begrüßenswert.“ | Die Gynäkologin Nora Szász zum Paragrafen 219a.
- §219a: Ein Kompromiss und viele Fragen | Die Große Koalition hat einen Kompromiss zum umstrittenen Paragrafen 219a vorgeschlagen. Demnach sollen Ärzte zwar generell über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen - doch was die Koalition darunter versteht, ist noch nicht klar.
- Abtreibungspille über das Netz | Für einige Frauen ist es eine Lösung: Abtreibung über das Netz. Beratung und Bestellung gehen online, die Pille kommt per Post. Dieses Angebot nutzen meist Frauen aus Ländern, in denen Abtreibung illegal ist.
- Üben an einer Papaya | In Deutschland dürfen Frauen innerhalb der ersten zwölf Wochen eine ungewollte Schwangerschaft abtreiben. 100.000 machen das auch. Trotzdem kommt dieser Eingriff im Medizinstudium kaum vor. Studierende in Berlin wollen das nun ändern - mit einer Papaya.
- Die Argumente der Abtreibungsgegner | Die Debatte um das Thema Abtreibung und den Paragraphen 219a wird sehr emotional geführt. Unsere Reporterin hat sich die Argumente von Abtreibungsgegnern angehört.